Humaner Stellenabbau – ein Widerspruch in sich?
Bei werteorientierter Führungskultur steht der Mensch auch in Zeiten digitaler Transformation im Mittelpunkt
Geldhäuser haben es derzeit nicht leicht. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf Kundenverhalten, Serviceleistungen und den Geschäftsbetrieb von Banken sind deutlich spürbar. Aufgaben werden zunehmend von Computern übernommen. Zudem erledigen Kunden ihre Geldgeschäfte verstärkt online. Viele Zweigstellen schließen. Mehr als in anderen Branchen fallen aktuell bei Finanzinstituten Arbeitsplätze aufgrund der unaufhaltsam fortschreitenden digitalen Transformation weg. Wieviel Zukunft haben Jobs bei der Bank da eigentlich noch?
In diesem Zusammenhang habe ich ein Gespräch mit Stefan R. geführt. Er ist Bankvorstand und bestens mit der aktuellen Entwicklung im Finanzsektor vertraut. Im folgenden Artikel gibt er Einblick in die sich derzeit rasant ändernde Arbeitswelt im Bankwesen. Dabei geht er auch besonders auf die gelebte Trennungskultur als Teil der Führungskultur im eigenen Unternehmen ein.
Seit wann sind Sie schon Vorstand im jetzigen Unternehmen? Haben Sie sich in dieser Zeit schon von Mitarbeitern getrennt?
Ich bin jetzt seit 3 Jahren als Vorstand im Unternehmen. Meine Aufgabe und Herausforderung bestand darin, ein traditionsreiches Unternehmen für die Herausforderungen der Digitalisierung fit zu machen. Dies führte unweigerlich dazu, dass viele Arbeitsschritte und Prozesse automatisiert werden mussten, um die Dienstleistungen, welche die Kunden heutzutage erwarten, anbieten zu können. Infolgedessen sind dann auch Arbeitsplätze weggefallen und wir haben uns von Mitarbeitern trennen müssen. Wir können im Unternehmen aber nicht einfach nur Digitalisierung und Automatisierung fordern und umsetzen. Es entsteht sonst eine Art passiver Widerstand. Stattdessen müssen wir die Menschen mitnehmen, denn für mich steht fest, dass der Mensch bei der Digitalisierung im Mittelpunkt stehen muss.
Warum haben Sie sich von den Mitarbeitern getrennt?
Weil Leistung und/oder Einstellung nicht gepasst haben und kein ausreichender Wille zur Veränderung vorhanden war.
Der Wettbewerbsdruck in Ihrer Branche ist hoch, die Digitalisierung schreitet voran, viele Filialen werden geschlossen. Inwieweit hat das bei Ihnen im Unternehmen zu Personalabbau geführt?
Natürlich wandelt sich die Arbeit durch die Digitalisierung zum Teil grundlegend. Berufe, die uns heute selbstverständlich sind, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Das ist übrigens keine ganz neue Entwicklung. Früher haben die Kassiere das Geld der Kunden angenommen und diesen ausbezahlt. Diese Kassiere gibt es natürlich längst nicht mehr so zahlreich wie früher. Dafür sind andere Berufe entstanden, etwa der des IT-Sicherheitsexperten oder des Meldewesensspezialisten. So wird es vielen Aufgabenbereichen, die wir heute haben, ergehen - nicht zur im Bankwesen - aber es werden genauso neue Tätigkeitsfelder entstehen.
Es ist aber auch das Engagement jedes Einzelnen gefragt. Sehe ich nur die Risiken oder was gerade noch nicht rund läuft oder fokussiere ich mich auf die Chancen, packe mit an und unterstütze auch ungefragt die Kollegen. Mit einer Portion Zukunftsoptimismus im täglichen Miteinander kommen wir hier meiner Meinung nach schneller zum Ziel.
Und natürlich bilden wir intensiv aus und weiter. Wir machen uns fit für die Berufe und Anforderungen der Zukunft. Das hat mit der Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun. Aber auch unser Unternehmen braucht in Zukunft besondere Fähigkeiten, um erfolgreich zu sein.
Nochmal konkret auf Ihre Frage: Ja, die Digitalisierung hat bei uns zahlreiche Arbeitsplätze überflüssig gemacht durch Automatisierung, aber auch neue Arbeitsplätze geschaffen, wenn auch nicht in derselben Zahl.
In vielen Firmen ist Trennungskultur ein Tabuthema. Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen damit um?
Indem wir eine werteorientierte Führungskultur leben und zwar nicht erst, wenn es zur Trennung kommt. Wenn ich mit meinen Mitarbeitern in einem partnerschaftlichen und ehrlichen Dialog bin, dann ist es selbstverständlich, dass ich Punkte anspreche, wo ich Verbesserungsbedarf und Entwicklungs-potential sehe, aber auch, dass ich lobe und positives Feedback gebe. Dann wissen meine Mitarbeiter auch, ob ich mit der gezeigten Leistung zufrieden oder unzufrieden bin. Es hilft doch keiner Führungskraft, den Mitarbeiter jedes Jahr nur zu loben und ein ehrliches, wenn auch unangenehmes Feedback zu unterlassen bis die Situation dann auf Trennung hinausläuft. Hier kann ich nachvollziehen, dass dies für jeden Mitarbeiter ein Schock ist, wenn die Personalabteilung zum Trennungsgespräch bittet.
Ich bin überzeugt, dass man - beiderseitigen Willen vorausgesetzt- zu einer vernünftigen Lösung kommen kann, wenn man in einem ehrlichen und andauernden Dialog steht.
Wie würden Sie die Trennungskultur in Ihrem Unternehmen beschreiben?
Die Trennungskultur ist ein Teil unserer gesamten Führungskultur und diese ist ganz klar werteorientiert ausgerichtet.
Führen Sie die Trennungsgespräche selbst durch? Wie gehen Sie dabei vor? Was ist Ihnen dabei wichtig? Welche Gedanken gehen Ihnen dabei durch den Kopf?
Als Führungskraft ist es meine ureigenste Aufgabe im Gespräch mit meinen Mitarbeitern zu sein, auch und insbesondere, wenn es um kritische Themen wie Trennung geht. Da für mich ein werteorientierter Führungsstil sehr wichtig ist, weiß der Mitarbeiter, wenn es zu einem Trennungsgespräch kommt, bereits seit längerer Zeit, dass ich mit seiner Leistung unzufrieden bin und was ich für eine Erwartung an seine Arbeitsleistung habe. Er weiß, ob ich das Potential sehe, dass er diese Anforderungen erfüllen kann und was es dazu braucht.
Im ersten Trennungsgespräch werde ich ihm sagen, dass es auf der aktuellen Stelle keine Zukunft mehr gibt. Wenn der Wille und die Einstellung des Mitarbeiters gut sind, aber das Potential für die Aufgabenerfüllung nicht ausreicht, dann werde ich ihm aufzeigen, auf welcher Stelle ich ihn sehe. Wenn der Wille und die Einstellung nicht da sind, dann muss man klar kommunizieren, dass man getrennte Wege gehen wird.
Gab es Fälle, bei denen es Ihnen schwerfiel, einen Mitarbeiter zu kündigen?
Ganz ehrlich, wenn man werteorientiert und empathisch führt, dann fällt einem kein Trennungsgespräch leicht. Absolute Grundvoraussetzung für mich ist, dass der Mitarbeiter weiß, was die Kritikpunkte sind, weshalb man sich trennen möchte.
Wenn Sie selber Ihre Arbeit verlieren würden, wie wäre das für Sie?
Alle 3 Jahre beschäftige ich mich mit dem Thema, denn ich habe seit langem nur befristete Verträge. Doch mich belastet das Thema nicht, denn ich fühle mich unabhängig. Das ist für mich im Übrigen eine der wichtigsten Maximen. Deine Mitarbeiter müssen so gut sein, dass sie unabhängig von ihrem Job sind. Denn nur wenn ich mich unabhängig fühle, dann kann ich frei entscheiden.
Wenn ich Angst hätte meinen Job zu verlieren, dann würde ich vermutlich machen, was ich denke, das von mir verlangt wird. Dann bringe ich aber mit Sicherheit nicht meine beste Leistung. Angst ist nie ein guter Ratgeber.
Everhard Uphoff
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