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Jobverlust

Kündigungswelle – und du bleibst da!

Wenn geschätzte Kollegen gehen müssen. Erfahrungsbericht von Vera L.

 

 

Wenn ein Teil der Belegschaft das Unternehmen verlassen muss, dreht sich vorrangig erst einmal alles darum, die Arbeitnehmer ohne viel Aufhebens, mit geringem Kostenaufwand und zügig aus dem System zu entfernen. Wenig Beachtung erhalten in diesem Moment diejenigen, die weiterhin in der Firma ihre Arbeit verrichten. Diese sind jedoch genauso von der Veränderung im Arbeitsumfeld betroffen: Die einen fühlen sich schuldig, weil sie bleiben dürfen. Die anderen würden am liebsten auch das Unternehmen verlassen. Andere wiederum gehen in Deckung, weil sie befürchten, dass sie die nächsten sein könnten, die es trifft. Jeder ist zudem anders von den internen Veränderungen tangiert. Es ist gut möglich, dass man plötzlich die Arbeit des ausscheidenden Kollegen übernehmen muss, sich die Kommunikationswege verändern oder ein neuer Vorgesetzter die Abteilung übernimmt. Von denen, die bleiben, wird erwartet, dass sie sich flexibel an die neuen Arbeitsbedingungen anpassen und der Unternehmensführung bei der Umsetzung einer womöglich geänderten Strategie vorbehaltlos folgen. In der Praxis ist oft zu erkennen, dass die Leistungsbereitschaft und Produktivität derer, die von einer Kündigungswelle verschont bleiben, erst einmal sinkt. Zu sehr ist die Mannschaft mit den eigenen Befindlichkeiten beschäftigt. Wenig Raum bleibt da für die Konzentration auf die eigentliche Arbeit sowie die Neuausrichtung.

 

 

Das folgende Beispiel zeigt eine Systemveränderung aus der Sicht einer Mitarbeiterin, die miterlebt, wie ihre Kollegen gekündigt werden. Vera L. schildert ihre persönlichen Eindrücke in dieser Situation und beschreibt, welche spürbaren Auswirkungen der Veränderungsprozess bis heute auf das verbleibende Team mit sich gebracht hat.

 

 

Interview mit Vera L.1,32 , Kaufmännische Angestellte

 

 

 
Was ist geschehen?
 

Meine Geschäftseinheit war nicht profitabel genug, was letztendlich dazu geführt hat, dass Personal abgebaut wurde. Ein Drittel der Kollegen musste gehen. Wir alle wussten, dass etwas auf uns zukommt. Vor den Schulferien wurde es dann konkret. Die Stimmung war angegriffen. Die Situation, wie es letztendlich kommuniziert wurde, war sehr unschön: Es gab kurzfristig ein Meeting und wir mussten uns dazu alle in einen Besprechungsraum einfinden. Hier wurde dann allen mitgeteilt, dass ein Teil der Belegschaft gehen muss. Die, die bleiben durften, wurden dann gleich wieder hinausgeschickt. Die anderen erhielten die Hiobsbotschaft, dass man sich von ihnen trennt. Als sie dann mit der Kündigung zurück ins Büro kamen, haben einige geweint. Andere waren richtig fertig mit der Welt, entsetzt. Sie verstanden nicht, warum gerade sie gekündigt wurden und nicht der andere. Man setzt sich jahrelang für die Belange der Firma ein und das war jetzt der Dank und die Würdigung dafür.

 

 

Wir, die übriggeblieben sind, mussten dann im Anschluss nochmal in denselben Besprechungsraum und bekamen zu hören, dass man sich von den anderen verabschiedet hatte. Uns wurde außerdem gesagt, dass wir zwar weiterhin in der Firma bleiben würden, aber dass es von Seiten der Firma einen Auflösungsvertrag geben wird und wir im Anschluss einen ganz neuen Arbeitsvertrag bekommen würden. Wir waren geschockt, wussten ja auch nicht, was jetzt auf uns zukommt. Wir fragten uns wie es weitergeht, wenn ein Drittel geht, die Arbeit ist ja da. Die Gekündigten wurden sofort freigestellt. In den Folgetagen kamen sie nochmals zu Einzelgesprächen mit der Geschäftsführung, um finanzielle Aspekte zu klären und eine Abfindung auszuhandeln. Einige waren zur Prüfung beim Anwalt.

 

 

 
Gab es dann noch einen offiziellen Abschied?
 

Nein, sie waren einfach weg. Wir haben uns teilweise noch privat getroffen. Nachdem die vertragliche Seite geregelt war, wollten sie mit den Chefs nichts mehr zu tun haben. Natürlich mussten alle einen Auflösungszettel unterschreiben, dass sie Geräte, Telefone und Schlüssel wieder abgeben. Für die Übergabe kamen die Kollegen dann nochmal in die Firma.

 

 

 
Wie geht es denen jetzt? Haben Sie noch Kontakt miteinander?
 

Am Anfang waren die natürlich gekränkt. Wenn man eine Kündigung erhält, ist es so, als bekommt einer eine Abfuhr. Vergleichbar ist das Ganze mit einer Partnerschaft, in der der eine von beiden verlassen wird. Das hat immer so einen bitteren Nachgeschmack. Da besteht dann die Gefahr, alles auf sich selbst zu beziehen und die Schuld bei sich zu suchen.

 

 

Jetzt, einige Monate später nach deren Ausscheiden, stehen wir zwar noch in Kontakt miteinander, aber sie sind jetzt in einer anderen Welt, haben alle einen anderen Job. Sie steigen auch nicht mehr darauf ein, wenn wir uns über die alte Firma austauschen wollen. Ich kann das verstehen, schließlich konzentrieren sie sich jetzt primär auf ihre neuen Herausforderungen. Alle, mit denen ich bislang gesprochen habe, sind im Nachgang froh, dass sie raus sind. Nicht nur, weil sie eine Abfindung bekommen haben, sondern auch, weil sie innerhalb von 2-3 Monaten eine neue Arbeitsstelle angetreten haben. Sie sind erleichtert, dass sie aus der Schraube heraus sind und gezwungen wurden, neue Wege zu gehen. Darin gehen die richtig auf. Die haben sich nicht nur jobmäßig verbessert, sondern auch finanziell einen Sprung nach oben gemacht. Doch diese Erkenntnis kommt erst mit einem entsprechenden zeitlichen Abstand.

 

 

 
Der Betriebsrat hatte keine Chance die Kündigungen zu verhindern?
 

Der Betriebsrat konnte letztendlich auch nichts mehr tun. Klar, sie haben es versucht im Vorfeld, aber schlussendlich ist es ihnen nicht gelungen. Der Betriebsrat war im Prozess meines Erachtens nach zu wenig präsent. Keiner von ihnen war bei uns, bei denen, die geblieben sind. Keiner nahm uns die Angst bei der Unterzeichnung des neuen Vertrags.

 

 

 
Gibt es so etwas wie eine Überlebensschuld bei denen, die geblieben sind?
 

Nein. Ich war froh, dass ich weiterhin meinen Job hatte. Die Stimmung war natürlich mehr als am Boden. Ich war sehr traurig, als wir uns voneinander verabschieden mussten. Schließlich waren wir auch freundschaftlich miteinander verbunden. Der Trennungsschmerz war groß. Schließlich musste ja ein Drittel der Mannschaft gehen.

 

 

 
Was würden sie anderen raten, die in solch eine Situation kommen?
 

Keinen Schuh anziehen, ganz normal bleiben. Sich nicht schuldig fühlen, weil der andere gehen muss. Die Entscheidung wurde nicht von einem selber getroffen, sondern von der Führung des Unternehmens. Was man aber tun kann ist, menschlich die Hilfe immer wieder anbieten, selbst wenn der Andere etwas abweisend reagiert. Es ist möglich, dass Gefühle wie Neid entstehen, das ist aber auch nur situationsbedingt. Mit solch einer Reaktion ist zu rechnen. Es hilft, die eigene Betroffenheit zu zeigen und den anderen in den Arm zu nehmen. Alle, die bislang gegangen sind, haben etwas Besseres bekommen. In der konkreten Situation hilft das einem natürlich nicht weiter, ist ja klar. Da denkt man sich, du hast ja deinen Job und ich muss gehen.

 

 

 
Wie geht es Ihnen heute?
 

Das war eine unwahrscheinlich belastende Zeit. Erst die Vorahnung, weil wir ja wussten, dass etwas passiert. Und dann natürlich gerade in der Zeit vor den Schulferien, so eine Stimmung zu erleben ist furchtbar. Man versetzt sich dann immer wieder in die Situation der Betroffenen, wie muss es denen gehen, wenn man heimkommt. Was macht man da als erstes. Die Zeit war unwahrscheinlich schmerzvoll. Das möchte ich nicht nochmal erleben. Insofern gut, dass sie vorbei ist. Auch wir müssen nach vorne blicken und schauen wie es weitergeht und dürfen uns da natürlich emotional auch nicht herunterziehen lassen. Im Nachhinein geht es ihnen ja auch wieder gut. Wir sind geblieben und müssen jeden Tag den Alltag meistern und unsere Arbeit weitermachen.

 

 

 
Was nehmen Sie persönlich aus dieser Erfahrung mit?
 

Die Welt bleibt nicht stehen, selbst wenn ich gekündigt werde. Das Leben geht weiter. Das sollte man wirklich im Auge behalten. Ich habe den Eindruck, dass es den Gekündigten besser geht als uns, die geblieben sind. Sie sind zwar gezwungen worden, sich umzusehen und sich am Markt neu zu positionieren, aber die Mühe hat sich gelohnt. Wenn sie uns ab und zu besuchen, strahlen sie alle und sagen tatsächlich: „Ich bin froh, dass ich hier raus bin!“

 
Wenn sie nach vorne schauen, was sehen sie dann für sich? Wie geht es mit Ihnen weiter?
 

Schwierig, weil, der Veränderungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Ich bin noch in einer zwiespältigen Situation, weil das Team so wie ich es mir wünsche, noch nicht zusammengewachsen ist. Die Kulturen und die Arbeitsweisen unterscheiden sich so immens, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass das irgendwann mal eine Einheit sein kann, wo alle an einem Strang ziehen.

 

 

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Autor:

Everhard Uphoff

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