Job weg – was nun?
Berufliche Trennungen mit dem Veränderungsmodell von Kübler Ross leichter verstehen
Magret, eine lebenslustige Frau, ist vor einigen Wochen kurz vor ihrem achtzigsten Geburtstag verstorben. Nach einer missglückten Operation lag sie wochenlang bis zu ihrem Tod auf einer Palliativstation und im Hospiz. Wir haben sie zum Glück noch mehrmals besucht. Sie hat sich gefreut und bedankt. In diesen Momenten gab es nicht viel zu tun: da sein, die Hand halten, die kalten Füße massieren, zuhören, die Wange streicheln. Wir haben sogar miteinander gelacht, wie in alten Zeiten. Sie haderte, konnte lange nicht loslassen. Sie konnte sich selbst nicht verzeihen, dass sie einer Operation einwilligte, obwohl ihr erstes Bauchgefühl ein klares nein signalisierte. Es war schlimm für alle Beteiligten zu sehen, wie sie am Leben festhielt. Alle waren sehr angespannt und erschöpft. Keiner konnte verstehen, warum Magret so leiden musste. Es war ein ständiges auf und ab. Am Ende wurde ihr Körper immer schwächer. Letztendlich hat sie losgelassen und ist friedlich eingeschlafen. Für diejenigen, die Magret nahestanden, war es eine Befreiung und ein Verlust zugleich. Die Trauer hat begonnen.
Jeder von uns macht wahrscheinlich im Laufe seines Lebens eine Verlusterfahrung. Die einen im privaten Bereich, die anderen im Beruf. Der Prozess der emotionalen Verarbeitung ist ähnlich, wie schon Elisabeth Kübler-Ross in ihrem bekannten Veränderungsmodell aufgezeigt hat.
Demnach werden fünf Phasen unterschieden.
Phase 1: ABLEHNUNG
Viele von uns erleben im Laufe ihres Lebens einen beruflichen Umbruch. Jobs werden zum Beispiel durch Roboter wegrationalisiert oder gehen zukünftig verstärkt durch Digitalisierung, Industrie 4.0 oder Globalisierung verloren.
Der Prozess beginnt mit der Verkündung der bedrohlichen Veränderung. Die Betroffenen verweigern sie bewusst oder unbewusst.
Erfährt der Mitarbeiter von seiner Kündigung reagiert er häufig geschockt und ablehnend, will nicht wahrhaben, was da geschieht. Er geht nicht aus freien Stücken, weigert sich, den vertrauten Arbeitsplatz aufzugeben.
Phase 2: AGGRESSION, WUT, ZORN
Wenn ein Arbeitnehmer unfreiwillig gehen muss, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Gehende im Lauf des Prozesses mit Wut, Aggression oder Zorn reagiert. „Warum ich“ fragt sich der Gekündigte und reagiert gereizt auf den Arbeitgeber oder die bleibenden Kollegen. Wenn der Mitarbeiter ohne Dank und Wertschätzung für die geleistete Arbeit verabschiedet wird oder anderweitig unfaires Verhalten im Trennungsprozess erlebt, kochen die Emotionen umso mehr hoch. Möglicherweise fühlt er sich auch ungerecht behandelt und kann nicht verstehen, warum das Unternehmen Mitarbeiter entlässt, obwohl es schwarze Zahlen schreibt. Die Palette an Emotionen in dieser Phase reicht von Wut, Zorn und Aggression bis zu dem Bedürfnis Rache zu üben und dem Anderen Schaden durch Gewaltanwendung zuzufügen.
Diese Gefühlsreaktionen werden auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht. Sie können offen nach außen treten oder verborgen unter der Oberfläche schwelen. Oft ist die negative Emotion auf andere gerichtet, auf eine bestimmte Person, oft sogar auf eine nahestehende. Es kann aber auch sein, dass der Gekündigte die Schuld für das Scheitern oder die empfundene Niederlage bei sich selbst sucht und die starken inneren Energien gegen sich richtet.
Phase 3: VERHANDLUNG
Mitarbeiter versuchen in dieser Phase zu verhandeln, um dem drohenden Ausstieg aus der Firma doch noch zu entgehen. Hat der Arbeitgeber die Kündigung erst ausgesprochen, gibt es in der Regel kein zurück mehr, die Entscheidung ist längst getroffen. Es geht dann letztendlich nur noch darum zu verhandeln, wie der Ausstieg aus der Firma konkret abgewickelt wird. In vielen Fällen handeln beide Seiten einen Aufhebungsvertrag aus. Wird keine Einigung erzielt, endet das Arbeitsverhältnis vor Gericht, was sich über Monate hinziehen kann. Das hat dann letztendlich auch Einfluss darauf, wie schnell der Jobverlust verarbeitet wird. Bleibt der Gekündigte nach den Verhandlungen unzufrieden, weil er zum Beispiel das Gefühl hat über den Tisch gezogen worden zu sein, kann sich der Prozess der emotionalen Verarbeitung in die Länge ziehen. Hat er dagegen die Verhandlungen als Genugtuung erlebt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er kurz danach schon wieder optimistisch in die berufliche Zukunft schaut.
Phase 4: DEPRESSION
Der Tiefpunkt ist erreicht, wenn die Unabänderlichkeit der Situation ins Bewusstsein gedrungen ist. Der Schweregrad der Depression ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Enttäuschung, Unverständnis, Vertrauensverlust, Unruhe, Hadern, Traurigkeit, Tränen, Angst, Reue, Unsicherheit, Apathie, Isolation, Entfremdung, Antriebslosigkeit – alles ist möglich.
Hat der Betroffene seinen Arbeitsplatz geräumt, wird ihm im weiteren Zeitverlauf immer bewusster, dass er nicht mehr Teil des Systems ist. Es ist wohl möglich, dass er eine Achterbahn der Gefühle durchläuft. Dies ist besonders der Fall, wenn er das Arbeitsende als Rauswurf empfindet oder anderweitig Geringschätzung, Vertrauensverlust, Ablehnung oder Missbilligung im Trennungsprozess erfahren hat. Die gleichen Symptome sind auch immer wieder bei Menschen zu beobachten, die zum Zeitpunkt ihres Jobverlusts 50 Jahre und älter sind. Angst, keine geregelte Arbeit mehr bis zur Rente zu finden, macht krank und schlägt auf die Psyche.
Es fällt ihnen schwer, die Ablehnung und Missbilligung nicht persönlich zu nehmen, gerade dann, wenn eine hohe Identifikation mit dem Arbeitgeber vorgelegen hat. In dem Fall bekommt das Selbstwertgefühl nicht selten einen Knacks und es braucht Zeit bis der Betroffene wieder Lust verspürt, nach vorne zu schauen und sich neuen beruflichen Aufgaben zu widmen.
Phase 5: ANNAHME
Mit der Annahme, dass die Veränderung nicht umzukehren ist, entsteht neue Hoffnung. Man hat im Laufe des Prozesses wieder das Bedürfnis, den Blick nach vorne zu richten. Optimismus, Energie, Motivation und Zielgerichtetheit kehren zurück. Der Betroffene begibt sich auf die Suche nach neuen Optionen.
Der Zeitpunkt der Akzeptanz der Kündigung und des endgültigen Loslassens vom Arbeitsplatz hängt unter anderem davon ab, wie gekränkt der Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verlässt. Sind beim Abschied eher negative Emotionen vorherrschend, kann sich der Ablöseprozess bis zu mehr als einem Jahr und länger hinziehen. Manchmal braucht es auch eine bewusste Entscheidung, wieder nach vorne zu schauen und sich beruflich neu zu orientieren. Wurde das Jobende dagegen als Befreiung erlebt und nicht als Verlust, gestaltet sich der Verarbeitungsprozess wesentlich kürzer.
Die fünf Phasen können parallel ablaufen und von unterschiedlicher Zeitdauer sein. Es gibt keine fixe Reihenfolge und keinen Ausschluss der Wiederholung einzelner Perioden nach deren erstmaliger Bewältigung. Es kann auch sein, dass einzelne Phasen gar nicht auftreten. Oder sie überschneiden sich und sind unterschiedlich stark ausgeprägt.
Als zertifizierter Coach begleite ich gekündigte Fach- und Führungskräfte bei Verlust des Arbeitsplatzes und emotionaler Trennungsverarbeitung. Dabei mache ich immer wieder die Erfahrung, dass es den Betroffenen schwerfällt, die oben genannten Phasen bestmöglich zu durchleben und gestärkt daraus hervorzugehen.
Hast du schon einmal einen beruflichen Umbruch erlebt? Welche der fünf Phasen hast du erlebt? Wo steckst du fest?
Everhard Uphoff
Jobverlust, Sport, Management, Führungskräfte