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Änderungskündigung mit 57

Neuer Job trotz hohem Alter und Corona-Krise


Interview mit Elke D., 57, Abteilungsleiterin Services


Wie lange warst du im Unternehmen?

Ich arbeitete 13 Jahre in der Firma, verantwortete den Bereich Services für die weltweite Transportabwicklung, Montagekoordination, Fakturierung und Versandlogistik. Die inhabergeführte AG ist Hersteller von Möbelelementen für die Automobilindustrie. In den letzten zwei Jahren wurde die Belegschaft um die Hälfte reduziert. Mehr als 50 Mitarbeiter mussten bislang gehen.

Wie war dein Chef? Wie war das Betriebsklima? 

Mein Chef war ein dominanter und wankelmütiger Narzisst. Unter seiner Führung war keine klare Linie erkennbar; Vision und Strategie waren Fehlanzeige. Die Mitarbeiter verstanden sich grundsätzlich gut, waren jedoch durch die Unternehmensleitung verunsichert. Es herrschte überwiegend Abteilungsdenken.


Was ist passiert?

Aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen wurde mein Ressort in die Abteilung Vertriebsinnendienst integriert. Ich wurde in das Team Neuprojekte versetzt. Praktisch war meine Versetzung eine Degradierung. Der neue Tätigkeitsbereich entsprach vom Inhalt und den Anforderungen nicht dem Niveau meiner vorherigen Position als Abteilungsleiterin. Stattdessen führte ich nun Supportarbeiten für den Teamleiter aus.


Wie war der Ablauf der Kündigung? Wie verlief das Trennungsgespräch?

Es gab diverse, vorwiegend sachliche Gespräche mit dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und dem Personalleiter. Die Firma bot mir eine niedrige Abfindung an, die ich jedoch ablehnte. Daraufhin wurde mir eine Änderungskündigung vorgelegt, deren Erhalt ich „vorbehaltlich der rechtlichen Prüfung“ entgegengenommen habe. Demnach hätte ich im Unternehmen bleiben können, auch wenn meine bisherige Aufgabe betriebsbedingt wegfiel. Aufgrund der mit vorgelegten Änderungskündigung habe ich einen Anwalt eingeschaltet und als kein Kompromiss möglich war, Klage eingereicht. Wegen des Gerichtsverfahrens weigerte sich die Geschäftsführung mir ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen.

Auch eine allen Mitarbeitern zustehende Sonderzahlung wurde mir nicht ausbezahlt. Mein ehemaliger Vorstand, jetzt Aufsichtsrat, versuchte den Prozess noch zu vermeiden, indem er mir vorschlug, wieder als Vorstandsassistenz für den jetzigen Vorstand tätig zu werden. Dies hätte bedeutet, dass ich meiner alleinstehenden Kollegin, die über 60 ist, aber aus finanziellen Gründen noch nicht in Rente gehen kann, den Arbeitsplatz weggenommen hätte. Da die Vertrauensbasis zu ihm durch alle vorangegangenen Aktionen nachhaltig gestört war, lehnte ich dankend ab. Per Urteil vom Arbeitsgericht wurde das Ende des Arbeitsverhältnisses einige Wochen später entschieden. Mir wurde eine höhere Abfindungssumme zugesprochen, so wie ich es mir gewünscht hatte. Ich war darüber sehr erleichtert.


Was war die stärkste Emotion?

Ich war einfach nur enttäuscht darüber, dass der Aufsichtsrat und gleichzeitige Firmeneigentümer die Unfähigkeit des Vorstands nicht erkannte. Wie hat dein berufliches Umfeld reagiert? Die Mitarbeiter der Abteilung und die meisten Kollegen waren loyal mir gegenüber. Sie reagierten mit Bedauern und Unverständnis auf meinen Weggang. Meine Familie, Freunde und viele Kollegen haben mir in der Situation geholfen, mir Mut gemacht und gut zugeredet. Du hattest du eine Rechtsschutzversicherung.


Welche Vorteile hattest du dadurch?

Ich hatte sie bereits vor 18 Monaten abgeschlossen, als die Firma in Schieflage geriet. Wartezeit musste ich somit keine berücksichtigen. In der Regel greifen Rechtsschutzversicherungen ja erst mehrere Monate nach Vertragsabschluss. Die Änderungskündigung reichte für die Inanspruchnahme des Arbeitsrechtsschutzes aus. Finanziell hatte ich einen Eigenanteil in Höhe von € 150,00. Weitere zusätzliche finanzielle Belastungen hatte ich nicht.

Ganz im Gegenteil, mit der Rechtsschutz im Rücken fiel es mir leichter mein Recht vor Gericht einzufordern und Klage einzureichen. Anfallende Kosten waren bis auf den Eigenanteil abgegolten. Die Zusammenarbeit zwischen mir, meinem Anwalt und der Versicherung klappte einwandfrei. Ich bekam zuerst eine Rechtsberatung. Dann gab ich meinem Anwalt die Freigabe Klage einzureichen und alle weiteren rechtlichen Schritte direkt mit der Versicherung abzuklären.



Wie erging es dir auf der Suche nach einem neuen Job?

Ich habe in zwei Monaten 30 Bewerbungen geschrieben und zwei Vorstellungsgespräche gehabt. Durch eine Initiativbewerbung bin ich dann zu meinem neuen Job im Vertrieb gekommen. Zuvor hatte ich zufällig durch ein Gespräch von einer Vakanz bei meinem neuen Arbeitgeber erfahren. Die Arbeitsuche gestaltete sich insgesamt schwierig. Ich denke, dass es an meinem Alter liegt. Immerhin bin ich inzwischen 57 Jahre alt. Bei früheren Jobsuchen hatte ich überhaupt keine Probleme, eine neue adäquate Stelle zu finden.

Schade ist, dass es heute üblich ist, kein Feedback zur eingereichten Bewerbung zu erhalten. Neben der Jobsuche nutzte ich die freie Zeit, sportlich aktiv zu sein und die Dinge zu erledigen, die im Alltag sonst untergehen. Eigentlich sollte ich bereits zum 1. April anfangen. Aufgrund der Coronakrise wurde das Vertriebsteam ins Home Office geschickt. Mein Eintrittstermin verschiebt sich nun auf Anfang Mai.


Was würdest du heute anders machen?

Ich hätte schon zu dem Zeitpunkt, als die Perspektive der Firma in Frage gestellt war, nach einer Jobalternative suchen und mein Netzwerk früher erweitern sollen. Kleiner Wermutstropfen ist, dass ich jetzt bei meiner neuen Arbeit 20% weniger als vorher verdiene.


Wo stehst du jetzt, im Ablösungsprozess von der alten Firma?

Ich habe bereits losgelassen und schaue in die Zukunft. Allerdings arbeitet mein Mann in derselben Firma, so dass das Schicksal der Firma weiterhin eine Rolle spielen wird. Zudem bin ich dort tollen Menschen begegnet, zu denen ich auch weiterhin privaten Kontakt pflegen werde. Beruflich habe ich dort viel dazu gelernt. Ansonsten ist es für mich wichtig, zu den Werten zu stehen, die ich für richtig halte. Wichtig sind mir Teamgeist, eine offene Kommunikation und Zielstrebigkeit. Ich bin ein geradliniger Mensch und bevorzuge ein proaktives sowie ehrliches Miteinander. Was ich gar nicht mag sind Intrigen oder fachliche Inkompetenz.


Wie war dein Stresslevel in dieser für dich schwierigen Zeit?

Ich versuchte, auf der Sachebene zu bleiben und den Stress möglichst zu reduzieren, was auch meistens gelungen ist. Zu einem Großteil habe ich die Dinge mit mir selbst ausgemacht. Zwischendurch überkamen mich dabei auch Zweifel, dass es an mir und nicht an den Umständen lag, dass ich meinen Job verloren habe. Das Hadern hielt zum Glück nie lange an.


Du weisst ja, meine Marke heisst „Ich wurde gefeuert zum Glück – was ist dein Glück?

Das ist schwer zu beantworten. Im Moment fällt es mir noch etwas schwer, das Positive an dem Jobverlust zu erkennen.

Mein Glück ist,

…dass ich in der alten Firma meinen Mann kennengelernt habe,
…dass ich meine Lockerheit zurückgewonnen habe,
…ich aus dem alten Trott raus bin,
…Energien für eine neue berufliche Aufgabe freigesetzt worden sind,
…ich jetzt wieder neu und optimistischer in die Zukunft schauen kann,
…die negativen Emotionen, die sich eingenistet haben, weg sind.

VIELEN DANK!
 

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