Krisenerprobte geben wertvolle Ratschläge aus erster Hand
Als ich vor fast 2 Jahren mein Mutmachbuch „Gekündigt – zum Glück!“ veröffentlichte, befanden wir uns mitten in der Corona-Pandemie. Endlich klingt diese nun ab, da rücken andere Themen in den Vordergrund, die Teilen der Bevölkerung berechtigte Sorgen bereiten:
die sich aufbäumende Gaskrise, der anhaltende Ukraine-Konflikt, die stetig steigende Inflation und immer höhere Preise. Die Furcht vor einer schweren Wirtschaftskrise, einer globalen Rezession, Firmenpleiten und Massenarbeitslosigkeit nimmt zu. Was macht das mit den Menschen?
Viele kommen aktuell an ihre Grenzen und haben Zukunftsangst. Alle Fach- und Führungskräfte, die ich in den letzten Jahren ein Stück auf ihrem Weg begleiten durfte, kennen diese Angst vor einer unsicheren Zukunft.
Sie mussten ihre Komfortzone verlassen und das Gefühl aushalten, nicht zu wissen, was kommt, denn entweder ging ihr Job verloren oder sie haben aufgrund unhaltbarer Zustände selber gekündigt. Was auch immer zu deren Verlust, Umbruch oder Wendepunkt geführt hat, es löste immer einen Veränderungsprozess in den Betroffenen aus.
Jede Geschichte ist anders und wird unterschiedlich erlebt. Der eine meistert seine Krise locker, geht zügig gestärkt daraus hervor. Andere wiederum zieht es den Boden unter den Füßen weg. Manchmal kommt auch alles zusammen, beruflich wie privat. Plötzlich steht die eigene Welt Kopf, es geht drunter und drüber, Chaos und Ungewissheit sind angesagt.
Nichts ist mehr wie es war. In solchen Fällen wird das Loslassen emotional als schmerzhaft erlebt. Dann braucht es mitunter viel Geduld, Vertrauen, Zeit und Nerven bis eine Neuorientierung vollzogen ist und der Blick wieder positiv nach vorne gerichtet wird.
In meiner Arbeit als Karriere- und Krisencoach interessiert mich besonders, wie es den betreffenden Menschen in der Phase des Übergangs ergeht und wie sie sich wieder aus dem Schlamassel befreien. Auf meine Frage, was sie Anderen raten, die in eine ähnliche Situation kommen, habe ich folgende unterschiedliche Tipps erhalten:
Rainer W., Personalleiter:
Tipp 1: Vor allem Ruhe bewahren und die Krisensituation annehmen.
Tipp 2: Offen mit der Kündigung umgehen. Es ist keine Schande oder persönliches Versagen seine Arbeit zu verlieren. Noch besser wäre es, den Jobverlust als Chance zu sehen.
Selten ist ein Schaden, wo nicht auch ein Nutzen. Im ersten Schritt mag es ein Schock sein, aber es gibt einem die Möglichkeit, Dinge anders, besser oder für einen selbst zufriedener zu gestalten. Nutze die Chance! Veränderung bedeutet auch Fortschritt.
Tipp 3: Sich nicht Hals über Kopf in die nächste Aufgabe stürzen, sondern bestenfalls eine Auszeit nehmen! Sie ist wichtig, um sich selbst ein paar Fragen zu stellen: War ich (noch) glücklich mit dem, was ich zu tun hatte? Was will ich künftig definitiv und was auf keinen Fall?
Tipp 4: Nach vorne schauen, da man die Vergangenheit nicht mehr verändern, aber die Zukunft mitgestalten kann.
Claudia L., Pharmareferentin
Tipp 5: Immer einen Anwalt und einen Steuerberater hinzuziehen. Das kann einen sonst teuer zu stehen kommen.
Tipp 6: Wichtig ist auch zu hinterfragen, ob sich eine Klage überhaupt lohnt.
Silke E., IT-Spezialistin
Tipp 7: Ich rate jedem, sich bewusst zu verabschieden. Zudem ist es wichtig, auf sein Inneres zu hören – und zwar ohne Zweifel oder Bedenken, was andere sagen könnten oder welche Konsequenzen aus der Entscheidung heraus entstehen.
Tief im Inneren weiß jeder ganz genau, was für ihn oder sie die richtige Entscheidung ist! Wir haben in der Hektik vielleicht nur etwas verlernt, das wahrzunehmen.
Michael W., Einkäufer
Tipp 8: Es ist hilfreich, zuerst am eigenen Mindset zu arbeiten und sich der eigenen Persönlichkeit bewusst zu werden. Es geht darum, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse klar auszuarbeiten.
Wer erkannt hat, was ihm wichtig ist, was er will und was nicht, kann die richtigen Schritte gehen.
Tipp 9: Nichts von vornherein für unmöglich halten. Traumjobs können sich auftun, wo man sie gar nicht vermutet.
Dr. Greta A., Laborleiterin
Tipp 10: Einen Schritt nach dem anderen machen, sich selbst treu bleiben, sich nicht von der Angst leiten lassen und darauf vertrauen, dass es gut weitergeht.
Sebastian K., Marketingmanager
Tipp 11: Kritisch hinterfragen, ob das Unternehmen samt der gelebten Kultur überhaupt noch zu den eigenen Vorstellungen passt.
Tipp 12: Alle Absprachen schriftlich festlegen. Mündliche Zusagen sind schnell gemacht, werden dann aber oft nicht eingehalten.
Ines V., Bildungsreferentin
Tipp 13: Sich gleich beim ersten komischen Bauchgefühl externen Rat holen. Und dann würde ich sagen: zuversichtlich sein und raus aus der Opferrolle!
Mirko W., Key-Account-Manager
Tipp 14: Das Wichtigste: nicht in Panik geraten! Mir hat der rechtliche Beistand sehr geholfen, vor allem dabei, nicht zu schnell klein beizugeben und nicht den erstbesten Deal anzunehmen.
Oft kriegen Gekündigte im ersten Gespräch schon einen Vertrag untergeschoben. Und dann gilt: Bloß nichts auf Anhieb unterschreiben, auch nicht, wenn man unter Druck steht.
Und wenn die Formalitäten erledigt sind, den Blick nach vorne richten.
Isabel M., Projektmanagerin
Tipp 15: Der spanische Dichter Antonio Machado schrieb: „Beim Gehen entsteht der Weg.“ Es kann lähmend und sehr beängstigend sein, etwas Altes loszulassen, bevor sich etwas Neues ergeben hat.
Aber in dem Dazwischen kann sich so viel entwickeln, wenn dafür Zeit und Raum ist. Wichtig finde ich, sich beides zu nehmen: Zeit und Raum.
Es ist auch völlig in Ordnung, erst mal einen Umweg zu machen, Zwischenschritte zu gehen. Der nächste Job muss nicht die totale Erfüllung bringen oder für die Ewigkeit sein.
Schlimmer wäre es, in einem Job zu bleiben, der einem nicht guttut, und das allein aus Sorge, es könnte nichts Besseres nachkommen.
Thorsten B., Account-Manager
Tipp 16: Es ergeben sich immer wieder mal nicht vorhersehbare Situationen im Leben. Der Charakter der betroffenen Person und ihre Haltung zum Erlebten entscheiden darüber, wie sie einen Verlust bewältigt.
Setze dir erreichbare Ziele! Wertvoll und hilfreich bei der Umsetzung sind eine gehörige Portion Offenheit, Optimismus und Zielstrebigkeit.
Stefan K., IT-Leiter
Tipp 17: Grundsätzlich empfehle ich natürlich, für die eigenen Rechte vor Gericht zu kämpfen. Doch nicht jeder ist in der Lage, einen solchen Kampf über mehrere Monate oder gar Jahre durchzustehen.
Das ist auch der Grund, warum sehr häufig die Arbeitgeber als Sieger vom Platz gehen, obwohl sie juristisch und auch moralisch gesehen die eigentlichen Verlierer sind.
Sie sitzen am längeren Hebel und haben einen größeren Aktionsspielraum, selbst wenn innerhalb dieses Spielraums rechtswidrige Handlungen an der Tagesordnung sind.
Mobbing, Bossing, Straining gehören zu den beliebten Methoden, die angewendet werden, um Mitarbeiter mürbe und kaputt zu machen. Juristisch greifbar wird das meistens nicht.
Karola V., selbständig
Tipp 18: Sachlich reagieren. Auch würde ich zu einem Anwalt für Arbeitsrecht raten. Ich wusste z.B. nicht, dass man bei einer grundlosen Kündigung binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einzureichen hat.
Das habe ich erst von meinem Anwalt erfahren.
Erika W., Therapeutin
Tipp 19: Manchmal sind wir einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. In diesen Momenten lohnt es sich einfach nicht zu kämpfen oder zu warten.
Wer in eine derartige Situation kommt, der soll sich sofort eine neue Stelle suchen. Das hätte ich viel früher tun müssen, um persönlich keinen Schaden zu nehmen.
Melanie L., Controllerin
Tipp 20: Nicht gleich die Schuld bei sich selber suchen!
Franziska A., changeify
Tipp 21: Sich am eigenen Ich, den eigenen Werten orientieren, nicht an dem, was im Außen scheinbar jetzt richtig scheint.
Yolanda S., Office-Managerin
Tipp 22: Lass Dich nicht erpressen, so verlockend Aufhebungsangebote auch sind.
Ein guter Arbeitgeber, der an einem guten, fairen Trennungsprozess interessiert ist, wird dich alle Möglichkeiten in Ruhe überdenken lassen und Dir auch die Möglichkeit geben, diese Optionen mit einem Anwalt zu besprechen.
Tipp 23: Wenn man dich unter Druck setzt, lass Dich ordentlich kündigen, schalte einen Anwalt Deines Vertrauens ein und lass es auf einen Gerichtsprozess ankommen.
Frank B., Konstruktionsingenieur
Tipp 24: Mein Rat ist bei der Jobsuche dranzubleiben und den Mut nicht zu verlieren. Alles andere hilft leider nichts.
Mila Z., Unternehmensjuristin
Tipp 25: Für sich einstehen und kämpfen. Sonst tut es keiner.
Claas J., Einkäufer
Tipp 26: Nicht „einfach woanders“ hingehen, sondern genau prüfen, wo es passen könnte. Ich empfehle anderen Betroffenen, nicht einfach so zu „gehen, um zu gehen“. Es hilft nicht „von etwas weg, sondern zu etwas hin zu wollen“.
Eva H., HR-Managerin
Tipp 27: Mut zur Veränderung haben und nicht zu lange abwarten.
Dr. Peter H., Leitender Angestellter
Tipp 28: Es tut immer wieder gut, sich daran zu erinnern, dass das Leben weitergeht. Es ist auch gut zu wissen, dass eine Trennung im Job oftmals nichts mit eigenen Fehlern oder schlechter Arbeitsleistung zu tun hat.
Wichtig ist, sich das jeden Tag aufs Neue bewusst zu machen.
Tipp 29: Was auch hilft ist, sich darauf zu besinnen, was man kann. Wenn dann nach ein paar Wochen immer noch der Schuh drückt, würde ich auf jeden Fall einen entsprechenden Coach aufsuchen, der mit so etwas Erfahrung hat.
Elvira K., kaufmännische Angestellte
Tipp 30: Mir hat es geholfen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und mich jemanden anvertrauen zu können.
Eine innerliche Trendwende habe ich tatsächlich erlebt, als ich ein Online-Tagesseminar zum Thema Trennungsverarbeitung im Job gebucht hatte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich es leid, mich gedanklich ständig im Kreis zu drehen und traurig, wütend, ängstlich zu sein. Die Übungen und Gespräche im Seminar haben mir geholfen, mich zu sortieren.
Tipp 31: Selbst aktiv werden und Unterstützung suchen.
Maria P., Teamassistentin
Tipp 32: Ich rate jedem sich nicht hängen zu lassen oder in Selbstmitleid zu versinken, sondern die Situation als Chance zu sehen. Irgendwann wird man einen neuen Job finden, in dem man vielleicht sogar viel zufriedener ist.
Tipp 33: Frühzeitig eine Rechtschutzversicherung für Arbeitsrecht abschließen!
Zusätzlich macht es Sinn, sich Grundlagenkenntnisse im Arbeitsrecht durch das Belegen von Seminaren anzueignen oder sich im Arbeitsgericht bei öffentlichen Verhandlungen umzuschauen.
Auch ich habe bereits tiefgreifende Umbrüche erlebt, wurde mies gekündigt oder habe selber die Reißleine gezogen. Daraus habe ich viel gelernt.
Mein Fazit: Bleib dir selbst treu, verbiege dich nicht und folge deinem eigenen inneren Kompass.
Die kompletten Geschichten der einzelnen Personen findest du entweder in meinem Blog unter https://www.everharduphoff.com/blog oder in meinem Buch „Gekündigt – zum Glück!“. Du möchtest ein Taschenbuchexemplar mit persönlicher Widmung?