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Führungskräfte ü50: zu alt, zu teuer, zu unbequem


Kein Einzelschicksal: Gestandener Manager muss in Krisenzeit gehen

Die Geschichte von Reiner W. liegt bereits 10 Jahre zurück. Zu dem Zeitpunkt war er bereits 30 Jahre für ein großes Industrieunternehmen mit anfangs mehr als 5000 Mitarbeitern tätig. Der damals 52-jährige leitete das zentrale Personalwesen und war parallel Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft.

Er verantwortete alle Personalmaßnahmen von der Einstellung bis zur Kündigung, war Verhandlungspartner gegenüber dem Betriebsrat, Berater für die Führungskräfte, steuerte die Aus- und Weiterbildung und agierte als Arbeitgebervertreter im Arbeitgeberverband. In seiner Funktion als Geschäftsführer war er unter anderem zuständig für das Facility Management, den Fuhrpark und den Werkschutz. Seinen letzten Chef beschreibt er als unnahbar.

Dieser war ausschließlich vom Anteilseigener gesteuert. Alle Macht ging vom Investor aus. Vorstand und Geschäftsführung sorgten für die Umsetzung. Geführt wurde von oben herab. Konstruktive Kritik war eher unerwünscht. Innerhalb der etablierten langjährigen Führungsriege war das Betriebsklima sehr gut und vertrauensvoll.

Die Stimmung änderte sich, als in der Führungsebene neue Kollegen eingesetzt wurden. Von da ab herrschte Mißtrauen.



Was ist dann passiert?


Die Wirtschaftskrise 2009 führte zu erheblichem Personalabbau und Kurzarbeit. Die Unternehmensleitung nutzte die Situation und verabschiedete sich von langjährigen Führungskräften.

Auch diese Trennungsgespräche durfte ich noch durchführen. Danach wurde mir erklärt, dass nun auch im Personalbereich Anpassungen notwendig wären und meine Vorgesetzten deshalb auf mich verzichten.


Wie kam es zum Jobende?


Ich wurde vom Vorstandsvorsitzendem kurz vor Feierabend einbestellt. Mir wurde mitgeteilt, dass die Firma ab sofort auf mich verzichten würde.

Das Gespräch war kurz und provokativ. Es dauerte maximal fünf Minuten.


Was war der Kündigungsgrund?


Es hieß, man müsse sparen. Das stimmte aber nicht, da man kurz darauf meinen Nachfolger einstellte. 

Der war sicherlich billiger, aber auch weniger erfahren. Man brauchte lediglich einen stillen Umsetzer.












Wie war der Ablauf der Kündigung?


Der Vorstandsvorsitzende sicherte mir eine faire Behandlung zu. Ich erhielt mündlich ein Abfindungsangebot. 

Dieses war in meinen Augen unterirdisch und nicht annehmbar.

Auf meine Antwort, dass dies kein faires Angebot wäre, kam lediglich die Äußerung, dass man schon mit einer solchen Meinung von mir gerechnet hätte.

Mein Chef ging anschließend zum Schreibtisch, holte die Kündigung heraus und bat mich den Empfang zu bestätigen.

Ich war gefasst und blieb ruhig, erklärte, dass es nicht in meinem Sinne ist, meinen langjährigen Arbeitgeber zu verklagen.

Mein Vorgesetzter erwiderte, dass es ihnen egal wäre und ich tun sollte, was ich für richtig hielt.

Letztendlich habe ich eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Ich wurde für die Dauer der Kündigungsfrist 1 Jahr lang freigestellt.

Versuche beider Anwälte eine Einigung zu erzielen, wurden seitens des Arbeitgebers abgelehnt.

Schließlich gab es ein halbes Jahr nach dem Trennungsgespräch einen Gerichtstermin, bei dem der Richter meinem Arbeitgeber dann dringend geraten hat, den von ihm vorgeschlagenen Vergleich anzunehmen.

Letztendlich willigte mein Chef dann doch ein.



Welche Tricks wenden Arbeitgeber an, um Druck aufzubauen?


Als Personaler kannte ich die Spielchen.

So erhielt ich während des Kündigungsschutzprozesses einen Brief vom Arbeitgeber, in dem stand, dass ich einen Vorgang zu verantworten hätte, den ich so nicht erledigen hätte dürfen.

In dem Schreiben hieß es weiter, dass dies zu einer fristlosen Kündigung führen könnte mit zwei Tagen Frist zur Stellungnahme. 

Ich reagierte gelassen darauf und übergab das Schreiben meinem Anwalt.



Wie zufrieden warst du mit deinem Anwalt?


Sehr zufrieden.



Hattest du eine Rechtsschutzversicherung?


Ja.



Hat sich dein Jobende angebahnt?


Ja. Nachdem mein Förderer und Vorgesetzter (Personalvorstand) in Rente ging, wurden mir dessen Aufgaben noch zusätzlich übertragen ohne Unterstützung zu erhalten.

Nach circa einem Jahr hat die Führung begonnen an diesem oder jenem zu meckern ohne jemals mit mir darüber zu sprechen.

Im Rahmen eines späterem Mitarbeitergespräches mit dem Finanzvorstand wurden dann Sachverhalte angeführt, die so nicht der Wahrheit entsprachen, woraufhin ich die Unterschrift verweigerte.

Dann meinte der Finanzvorstand, ich solle aufpassen, da mich der Vorstandsvorsitzende nicht mag.



Wer in deinem Umfeld war wie von deinem Jobende betroffen?


Meine Familie mit der Sorge um die Zukunft.



Wie hat dein Umfeld reagiert?


Der engere Bekanntenkreis reagierte mit Unverständnis meinem Arbeitgeber gegenüber, der erweiterte Kreis mit etwas Skepsis nach dem Motto, vielleicht war da doch etwas.

Schließlich war ich ja von einem auf den anderen Tag zuhause.

Abgewendet hat sich kaum jemand. Meine Familie und zwei gute Freunde waren sehr loyal mir gegenüber.



Wer profitierte davon, dass du gehst?


Das Firmensystem und besonders der Vorstandsvorsitzende.

Dieser wollte keine keine kritischen Führungskräfte, die den Laden kannten und die nicht automatisch jeder Maßnahme mit Begeisterung hinterherliefen.



Wie gingst du mit der Situation um?


Ganz offen. Es geht nicht immer nur um Fähigkeiten und Qualifikationen.

Manchmal ist schon ausreichend, wenn die Chemie nicht stimmt oder die Betriebszugehörigkeit zulange ist und sich somit natürlich auch ein hohes Einkommen entwickelt hat.



Wer oder was hat dir in der Situation geholfen?


Meine offene Art und meine vielen Geschäftskontakte, die mir stets ein faires und auf Fakten bezogenes Miteinander bestätigten, halfen mir in meiner Situation.

Allen voran sahen mich der Betriebsrat und die Gewerkschaft bei der turbulenten Krise mit Streiks als ruhenden Pol, vertraulichen sowie zuverlässigen Ansprechpartner.



Was hast du aus deiner Geschichte gelernt?


Für mich war es kein Misserfolg.

So etwas passiert vielen im Berufsleben. Ich sah es als eine Herausforderung an und daran wächst man in der Regel.



Hast du dich persönlich durch diese Erfahrung verändert?


Ich denke schon. Es sind Erfahrungswerte, die man eigentlich nicht braucht, aber sie sind wichtig für die persönliche Weiterentwicklung.

Es hat mir gezeigt, dass es Dinge im Leben gibt, die wichtiger sind. Für mich gilt: wo ein Wille, da auch ein Weg.



Was würdest du heute anderen raten, die in eine solche Situation kommen?


*vor allem Ruhe bewahren,

*Auszeit nehmen! Sie ist wichtig, um sich selbst ein paar Fragen zu stellen: war ich (noch) glücklich mit dem, was ich zu tun hatte?, was will ich künftig definitiv und was auf keinen Fall?,

*sich nicht Hals über Kopf in die nächste Aufgabe schmeissen,

*raus aus dem Hamsterrad, mit Burnout ist auch keinem geholfen,

*offen mit der Kündigung umgehen, es ist keine Schande oder persönliches Versagen seine Arbeit zu verlieren. Noch besser wäre es, den Jobverlust als Chance zu sehen. Selten ist ein Schaden, wo nicht auch ein Nutzen.

*die Krisensituation offen annehmen,

*im ersten Schritt mag es ein Schock sein, aber es gibt einem die Möglichkeit, Dinge anders, besser oder für einen selbst zufriedener zu gestalten. Nutze die Chance! Veränderung bedeutet auch Fortschritt,

*nach vorne schauen, da man die Vergangenheit nicht mehr verändern, aber die Zukunft mitgestalten kann.



Wie ging es mit dir nach Jobende weiter?


Ich nutzte die Kündigungsfrist und nahm mir ein Jahr Auszeit, um meine Gedanken neu zu ordnen und abzuschalten.



Wie hast du diese freie Zeit genutzt?


Bin viel im Urlaub gewesen und habe Sport als Ausgleich gemacht.

Parallel habe ich viele Gespräche geführt, um ehrliches Feedback zu erhalten, wie mich Berater, Geschäftspartner, Kollegen und Bekannte sehen.

So fand ich heraus, was zu mir passt und was meine Stärken und Schwächen sind.



Wie hast du den Tag in der Übergangsphase verbracht?


Die erste Zeit in den Tag hineingelebt und Stress abgebaut.

Nach einigen Wochen habe ich damit begonnen, meinen Tagesablauf zu strukturieren.



Der Gang zum Arbeitsamt: wie war das für dich?


Es war eine Pflichtaufgabe, um meinen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend zu machen.

Schließlich hatte ich auch viele Jahre einbezahlt.

Meine Ansprechpartner beim Arbeitsamt waren völlig ratlos, konnten mit mir nichts anfangen.

Ich habe nichts mehr von denen gehört.



Wie erging es dir auf der Suche nach einem neuen Job?


Mit der konkreten Suche habe ich erst nach 6 Monaten begonnen.

Ich hatte konkrete Vorstellungen wie das Unternehmen und die Aufgabe aussehen sollten, wobei die Lage und das Entgelt nicht die allererste Priorität hatten.

Ich wollte mit meinem Wissen und meiner Erfahrung dem neuen Unternehmen einen Mehrwert bieten.

Alternativ habe ich mich damit beschäftigt als Interimsmanager tätig zu werden.



Wie bist du zum neuen Job gekommen?


Ich bewarb mich bei drei Firmen. Bis zur Einstellung führte ich vier Interviews.

Die Wahl fiel auf einen Mittelständler, bei dem ich die Leitung Personal und Verwaltung übernommen habe.

Letztendlich bin ich bei dem Unternehmen gelandet, das im Personalbereich mittelfristig einen Nachfolger brauchte. Meine neue Aufgabe entsprach dann auch meinen Erwartungen.

Ich bin wieder gerne in die Arbeit gegangen, auch wenn ich weniger verdiente als vorher.



Wie war deine Bewerbungsstrategie?


Ich trat offen, ehrlich, glaubwürdig und authentisch auf.



Brachte der neue Job auch Nachteile mit sich?


Ja, neben finanziellen Einbußen im Vergleich zum letzten Job das Führen einer Wochenendehe. Kinder und Enkelkinder sah ich nur noch am Wochenende.

Es war eine zeitliche Herausforderung. Meine Abwesenheit vor Ort führte auch zu einer Entfremdung von meinen Bekannten geführt.



Jobwechsel 50+. Was gilt es für diesen Personenkreis zu beachten?


Nehmt es nicht als eine persönliche Niederlage, sondern vielmehr als eine Möglichkeit berufliche Dinge neu zu justieren.

Mit zunehmendem Alter verschieben sich auch die Werte, auf die man dann entsprechend reagieren kann.



Was machst du heute?


Nach 11 Jahren in der neuen Firma bin ich am 01.03.22 in den wohlverdienten Ruhestand gegangen.



Was würdest du heute anders machen?


Nichts. So wie es läuft, so läuft es und man kann nur das Beste daraus machen.



Ich wurde gefeuert – zum Glück! Was ist dein Glück?


Ich bin durch die Erfahrung persönlich gewachsen und habe Verantwortung für das Erlebte übernommen.



Was willst du mir abschließend noch mitteilen?


Wichtig ist immer die Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Panikmache macht die Menschen krank.

Wir müssen in die Selbstbestimmung kommen.

Druck und Angst machen die Menschen erpressbar.  

 

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