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Job weg nach Restrukturierung


HR-Managerin führt Stellenabbau durch und verliert ihre Arbeit


Interview mit Eva H., 48 Jahre, HR Managerin


Zusammen mit 20 Kollegen hat die berufserfahrene Personalerin mehrere Standorte in Deutschland für einen amerikanischen Großkonzern betreut. Im letzten Jahr hat sie Restrukturierungs- und Verlagerungsprojekte geplant und durchgeführt, inkl. zweier Standortschließungen.


Wie war dein Chef?

12 Jahre war ich für das Unternehmen insgesamt tätig. In dieser Zeit hatte ich 8 verschiedene Chefs. Mein letzter Vorgesetzter in der Hauptzentrale in den USA hatte fachlich überhaupt keine Ahnung von meinen genauen Aufgaben. Er gab mir allerdings die Freiheit, meine Aufgaben und Projekte so auszuführen, wie ich es für richtig hielt, so lange ich meine Ziele und Aufgaben fristgerecht erreicht habe.


Wie ist die Machtstruktur- und Führungskultur in der Firma?


Es besteht eine sehr hierarchische Struktur. Lokal vor Ort konnten keine eigenen Entscheidungen getroffen werden. Alle Einstellungen wurden von der Hauptzentrale in den USA entschieden. Es herrscht ein sehr amerikanischer Führungsstil gemäß der „Hire and Fire“ Kultur. Die Fluktuation war unterschiedlich hoch, abhängig von der Branche und der Lage: an Standorten mit sehr hohem Altersdurchschnitt und hohen Gehältern war er sehr gering, im IT Bereich sehr hoch.


Wie war das Offboarding generell?


Da meist kein Manager oder IT vor Ort ist, läuft die Kündigung über Kollegen oder über HR. In Deutschland gibt es viele Restrukturierungsmaßnahmen, daher haben die meisten Mitarbeiter Angst um ihren Arbeitsplatz und entsprechend angespannt ist das Betriebsklima.


Hast du selbst auch Trennungsgespräche geführt?


Ja, sehr viele. In der gesamten Zeit habe ich mehrere hundert Mitarbeiter entlassen. Ich habe möglichst geschaut, dass man sich einvernehmlich trennen oder individuelle Lösungen (zum Beispiel Überbrückung bis zur Rente) finden kann.


Wie ist es, wenn man plötzlich selber betroffen ist?


Vor 12 Jahren war ich schon einmal in der gleichen Situation. Es war also ein bekanntes Gefühl. Im Prinzip war aufgrund der vielen Abbaumaßnahmen und der Standortschließung absehbar, dass es keine Zukunftsperspektive geben wird. Ich habe einen Aufhebungsvertrag mit längerer Freistellung (durch Umwandlung der Abfindung) abgeschlossen, was mir viel Zeit gibt, mich weiterzubilden bzw. was Neues zu suchen. Ich versuche gerade, die Zeit für mich abzuschließen und mich neu zu orientieren.


Was ist passiert?


Gegen Ende des letzten Jahres hatte ich meinen Chef mehrfach auf meine weitere berufliche Zukunft und Weiterbeschäftigung angesprochen, da meine Projektarbeit befristet war. Als Antwort darauf habe ich erhalten, dass wenn meine beiden Hauptprojekte abgeschlossen sind, es keine weiteren Aufgaben für mich gibt.

Mein Chef teilte mir mit, dass ich mich selbst um eine andere Stelle bemühen sollte. Da es bei der Firma aufgrund der Standortschließung keinen Arbeitsplatz mehr in meiner Nähe gab und weitere Abbaumaßnahmen in Deutschland anstehen, haben wir letztlich einvernehmlich vereinbart, dass ich per Aufhebungsvertrag das Unternehmen verlassen werde.

Inzwischen habe ich meine Projekte abgeschlossen bzw. übergeben, Mitte Mai hatte ich meinen letzten Arbeitstag im Unternehmen. Derzeit bin ich freigestellt und befinde mich auf Jobsuche.


Wie war der Ablauf der Kündigung?


Es gab keine Kündigung, sondern nur ein Angebot für einen Aufhebungsvertrag. Dieses verlief einvernehmlich zwischen beiden Seiten. Allerdings war ich überrascht, dass mein Chef dies früher beenden wollte, als eigentlich gedacht. Eine sachgemäße Übergabe hatte mein Chef nicht eingeplant gehabt.


Wie hast du reagiert?


Ich war sehr überrascht und enttäuscht, dass man mir einen früheren Austritt angeboten hat ohne dieses mit mir abzustimmen bzw. ohne irgendeinen Übergabeplan. Es war nicht geklärt, an wen die verbleibenden Aufgaben übergeben werden sollten und für welchen Zeitraum die Übergabe geplant war.









Was war die stärkste Emotion?


Enttäuschung über die fehlende Wertschätzung meiner Arbeit.



Hat sich dein Jobende angebahnt?


Die Projekte sind alle befristet und generell ist mir die Gesamtstrategie des Unternehmens bekannt, so dass ich im Prinzip die Zukunftsperspektive kenne. Ich konnte daher abschätzen, dass es keine Aussicht auf Weiterbeschäftigung mehr für mich gab. Allerdings, dass es am Ende einen selber trifft, wurde nicht direkt gesagt bzw. war nicht klar am Anfang.



Wie hat dein Umfeld reagiert?


Es hat mich darin bestärkt, dass Unternehmen zu verlassen und mir was Neues zu suchen. Vor 12 Jahren war ich ja bereits in einer ähnlichen Situation und hatte auch damals während der Wirtschaftskrise eine neue Tätigkeit gefunden.



Wer wendete sich von dir ab?


Keiner.



Wer war loyal dir gegenüber? Wer förderte dich? Wer profitierte davon, dass du gehst?


Eine Kollegin aus dem Geschäftsbereich und die Geschäftsleitung hatten sich für mich eingesetzt, so dass ich zumindest länger bleiben konnte, um die Aufgaben ordnungsgemäß zu übergeben bzw. teilweise abzuschließen. Eine andere Kollegin, die meine frühere Rolle übernommen hatte, profitierte durch meinen Weggang dadurch, dass sie längerfristig in der Rolle bleiben kann.



Wie gingst du mit der Situation um?


Es war die richtige Entscheidung, einen Aufhebungsvertrag anzunehmen, da ich nicht mehr weiter Restrukturierungsprojekte durchführen wollte. Ich würde es genauso wieder machen. Aktuell versuche ich noch die Erlebnisse zu verarbeiten bevor ich eine neue Tätigkeit beginne.



Wie versuchst du die Erlebnisse zu verarbeiten?


Eigentlich durch verschiedene private Ziele, die ich erreichen möchte. Aktuell habe ich mehr Zeit, mich um meine Tiere (Pferde und Hund) zu kümmern und mehr Sport zu machen. Zudem bilde ich mich weiter – die zeitliche Möglichkeit hatte ich bisher nicht. Aktuell mache ich ein Online Studium zur Gesundheitspsychologin. Hier muss ich noch eine Studienarbeit erstellen. Auch ein SAP Kurs steht noch auf dem Plan.



Wer oder was hat dir in der Situation geholfen?


Der Glaube an mich selbst und Gespräche mit Kollegen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.



Hast du einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet? Erzähl, wie war der Ablauf?


Ja, ich habe einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Da ich im Personalbüro arbeite, kenne ich den Text des Aufhebungsvertrages und die dazugehörigen Abfindungsberechnungen. Ich habe meine Abfindung gemäß Sozialplan berechnet und eine Kollegin hat den Aufhebungsvertrag für mich dann erstellt. Für die freiwillige Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages und dadurch Klageverzicht gab es eine zusätzliche Bonuszahlung, die ich zusätzlich zur Abfindung erhalte.



Was sollte auf jeden Fall im Aufhebungsvertrag stehen?


Ganz wichtig ist eine Präambel, worin beschrieben ist, dass es eine betriebsbedingte Maßnahme ist, diese genau beschrieben ist und dass eine Sozialauswahl erfolgt ist – das ist wichtig, dass man nachher keine Sperre vom Arbeitsamt bekommt und dies sollte mit dem Arbeitsamt vor der Unterschrift geklärt werden. Ansonsten sollten die Daten (Gehalt, Abfindung) genau geprüft werden, die restlichen Klauseln sind normal Standard und vom Anwalt geprüft.



Wie wird die Abfindung berechnet?


Faktor (gem. Sozialplan) X Monatliches Entgelt (gem. Definition Sozialplan) x Anzahl der Beschäftigungsjahre = Abfindung gesamt


Wie zufrieden bist du mit deinem Anwalt?


Ich hatte keinen Anwalt. Die Konditionen für die Abfindung sind in einem Sozialplan geregelt, den ich selbst mit dem Betriebsrat verhandelt hatte.



Hattest du eine Rechtsschutzversicherung?


Nein.



Hast du dich persönlich durch diese Erfahrung verändert?


Diese Erfahrungen machen mich generell stärker. Ich glaube fest daran, dass sich eine neue Jobchance ergeben wird.



Was würdest du heute anderen raten, die in eine solche Situation kommen?


• Mut zur Veränderung haben
• Sich schon vorab rechtzeitig nach Stellen umschauen
• Nicht zu lange abwarten.



Wie ging es mit dir nach Jobende weiter? 


Derzeit nutze ich die freie Zeit, um mich fortzubilden und mich zu bewerben.
Ich kümmere mich intensiver um meine Hobbys und räume mein „Leben“ auf (u. a. Keller ausmisten etc.).



Wie ergeht es dir auf der Suche nach einem neuen Job?


Ich habe meinen Lebenslauf an verschiedene Personalberatungen geschickt und bewerbe mich zudem online auf verschiedene ausgeschriebene Stellenangebote.

Da ich längere Zeit freigestellt bin, nutze ich die Zeit um etwas Passendes zu suchen.



Was genau suchst du?


Eine HR Manager oder HR Business Partner Stelle im Umkreis meines Wohnfeldes.



Was willst du nicht mehr?


Auf keinen Fall mehr Restrukturierungsprojekte in diesem Umfang durchführen. Ich möchte zurück zur eigentlichen HR Tätigkeit und mich mehr um die Personalbetreuung kümmern. Zudem möchte ich in ein kleineres Unternehmen, wo man mehr Entscheidungsfreiraum hat. Etwas vergleichbares in dem bisherigen Gehaltslevel zu finden, wird schwierig sein, zudem muss ich längere Arbeitswege wie bisher in Kauf nehmen – ich bin aber bereit, beides in Kauf zu nehmen.



Wenn du an 2020/21 denkst, welche Schlagwörter beschreiben am Besten deine berufliche Situation?


Viele Überstunden, Stress und Zeitdruck.



Was tust du konkret, um wieder beruflich auf die Beine zu kommen?


Weiterbildungen und Vorträge besuchen. Zudem bewerbe ich mich aktiv am Arbeitsmarkt.



Welche Netzwerke empfiehlst du?


Xing und Linkedin, Kontake zu Personalberatungen (z. B. Hays, Robert Half etc.)



Wie war dein Stresslevel in dieser für dich schwierigen Zeit?


Jobsuche ist für mich nicht stressig – ich setze mich hier nicht unter Druck. Wichtig ist für mich hier, dass es eine passende Stelle ist, wo ich längerfristig bleiben kann.



Was waren die stärksten Emotionen?


Enttäuschung und Frust, wenn ich Absagen für Stellen bekommen habe.



Gab es Schwachpunkte oder Unpässlichkeiten? Wie hat sich das im Körper bemerkbar gemacht?


Keine.



Wie bist du mit Wut umgegangen? Gingst du zum Sport oder in die Kneipe?


Ich war nicht wütend, sondern nur enttäuscht. Ich finde meinen Ausgleich in der Natur – mit Spaziergängen.


Wie haben sich die Emotionen seit dem Ausstieg verändert? Was konntest du schon loslassen?


Mein letzter Arbeitstag war sehr emotional – ich hänge sehr an den Arbeitskollegen, mit denen ich immer gut zusammengearbeitet habe. Mit Abschied generell kann ich nicht so gut umgehen.



Wie verarbeitest du deine Emotionen?


Mit Ablenkung hauptsächlich – ich kümmere mich um meine Tiere und mache Sport.



Bist du eher jemand, der die Dinge mit sich selber ausmacht?


Ja, meistens schon.



Wenn du zurückblickst, was denkst du, wo stehst du jetzt, im Ablösungsprozess von der alten Firma?


Ich bin noch eher im „Urlaubsmodus“, ohne allerdings dann zurückzukehren bzw. ohne neuen Job. Ich habe mich noch nicht ganz abgelöst von der alten Firma, da dies noch nicht lange her ist.



Was hast du mitgenommen aus dieser Zeit?


Gute Zusammenarbeit mit den Kollegen sowie habe ich einiges für meine berufliche Erfahrung gelernt, wo ich woanders nicht die Möglichkeit in der Zeit gehabt hätte.



Haben sich deine Essgewohnheiten verändert? Hattest du Gewichtsschwankungen?


Ich bin ein Stressesser – während meiner Tätigkeit habe ich zugenommen und keinen Sport gemacht. Ich nutze die Zeit nun mehr, um mich sportlich zu betätigen.



Wie verbringst du den Tag?


Ich plane meine Woche bzw. Tage mit Tätigkeiten und Terminen vor.



Was geht leicht im Alltag?


Ich habe mehr Zeit, meine alltäglichen Dinge zu erledigen und bin nicht im Dauerstress.



Der Gang zum Arbeitsamt: wie war das für dich?


Kein Problem – ich bin bisher nur arbeitsuchend und nicht arbeitslos gemeldet. Mittlerweile läuft ja alles online – Corona bedingt. Ich vermisse hier allerdings etwas die Unterstützung seitens Arbeitsamt – bislang hat sich bei mir noch keiner gemeldet. D. h. es gibt keinerlei Unterstützung bei der Bewerbungssuche, man ist auf sich gestellt.



Wie gingst du mit der Krisensituation um? Was würdest du heute anders machen?


Ich würde nichts anders, sondern genauso wieder machen. Der Wegfall meines Arbeitsplatzes ist eine neue Chance für mich.



Wer oder was hat dir in der Zeit des beruflichen Umbruchs geholfen?


Ich mir selbst.



Hast du dich persönlich durch diese Erfahrung verändert? Wenn ja, wie?


Es macht mich stärker und gelassener. Ich vertraue auf mich selbst, dass ich was Neues finden werde.



Welche Werte sind dir in der Berufswelt wirklich wichtig?


Gutes Betriebsklima, gute Zusammenarbeit mit Kollegen und interessante, herausfordernde Tätigkeiten sowie eine gute Work-Life-Balance.



Was geht gar nicht?


Das Mitarbeiter nur als „Kostenfaktoren“ existieren und Ausnutzung (z. B. zu viele Überstunden).



Erzähl mal, was heißt es heute für dich werteorientiert zu arbeiten?

Die Work-Life Balance ist mir am Allerwichtigsten. Ich möchte nicht mehr so viele Überstunden machen und Wochenenden durcharbeiten. Zudem ist mir ein familiäres und kollegiales Umfeld wichtig.



Ich wurde gefeuert – zum Glück! Was ist dein Glück?


Dass ich momentan Zeit habe, mich neu zu finden. Und dass ich die Möglichkeit habe, in einem neuen Unternehmen nochmal neu anzufangen.



Was willst du mir abschließend noch mitteilen?


Die Buchüberschrift – Gekündigt zum Glück trifft für mich vollständig zu. Ich sehe die Kündigung bzw. Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als neue Chance, mich beruflich neu zu orientieren und etwas Neues zu beginnen. 






Am 26.7 gibt es wieder ein Buchgeplauder mit mir. Alle Infos und Anmeldung hier:

Anmeldung für Buchgeplauder „Gekündigt – zum Glück!“ am 26.7.







 

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