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Jobverlust

Gemobbt und grundlos gekündigt

Unbefristeter Arbeitsvertrag stellt keine Garantie für Sicherheit dar 

Interview mit Franziska S., Anfang 40, leitende Psychologin in einer psychiatrischen Klinik

 
 
Hintergrund
 

In einer psychiatrischen Privatklinik wurde ich als erste Therapeutin angestellt und habe die Organisation mit aufgebaut. Im weiteren Verlauf übernahm ich die Bereichsleitung für alle Psychotherapeuten. Anfangs waren wir ein kleines Team, später dann 20 Kollegen. Einen Betriebsrat gab es nicht.

 
 
Was ist passiert?
 

In der Klinik stand eine Erweiterung für neues Klientel bevor. Zu dieser Zeit war ich bereits monatelang organisatorisch und fachlich mit der Expansion beschäftigt. Wir bekamen in dieser Zeit, nach fünf Jahren, einen neuen Vorgesetzten. Er wurde stellvertretender Chef der Klinik und leitender Therapeut aller Angestellten. Bislang gut bewährtes strukturierte er um.

Plötzlich traten Konflikte auf, die es in der Form vorher nicht gab. Alles wurde zur selben Zeit verändert. Neue Kollegen wurden eingestellt. Diese hatten zu Beginn noch keine konkreten Aufgaben sowie Räumlichkeiten. Wir erhielten neue Arbeitspläne. In diesen waren kaum Pausen vermerkt. Patienten hatten Terminplanüberschneidungen, von jetzt auf gleich mehr Therapeuten und waren dadurch überlastet. Patientengruppen wurden durcheinandergemischt, sodass therapeutisch nicht mehr sinnvoll gearbeitet werden konnte. Nicht selten kam es dadurch zur Verstärkung intrapsychischer Konflikte. Hierüber durfte mit dem Vorgesetzen nicht gesprochen werden, Kritik war unerwünscht.

Insgesamt wurden die Arbeitsumstände aller Mitarbeiter auf allen Stationen in kurzer Zeit widrig – Mehrarbeit, keine Zeit für Austausch und Psychohygiene, keine Pausen. Wir mussten von heute auf morgen ohne vorherige Absprache unsere Büros teilen oder in andere Räumlichkeiten umziehen. Die Qualität litt darunter. Die Ausübung aller Tätigkeiten war aus ethisch-moralischen Aspekten kaum mehr möglich und daher sehr belastend. Auch wurde uns untersagt über diese Veränderungen zu kommunizieren. In der Arbeit mit Patienten ist dies leider gefährlich, da ein guter Austausch untereinander für einen positiven Genesungsverlauf notwendig ist. Da alles zur gleichen Zeit umgestellt wurde, war ein sicherer Rahmen, Grundvoraussetzung für die Arbeit mit unserer Klientel, nicht mehr gegeben. Dies hat immer auch gesundheitsschädigende Folgen, auf Seiten der Patienten und des Personals. 

 

 

 

Gezieltes Mobbing
 

Ich wurde nicht mehr über den Ausbau und die Einstellung neuer Mitarbeiter informiert und auch nicht mehr zu Sitzungen eingeladen. Mein neuer Chef übernahm ohne vorherige Absprache meine Bereichsleitung. Mir wurde mitgeteilt, dass ich von nun an für das neue Klientel verantwortlich sei und den vorherigen Aufgaben nicht mehr nachgehen solle. Hieraus entstand ein weiteres Problem: Ich war dafür nicht ausgebildet. In der Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen kann dies erheblichen Schaden nach sich führen. Dies legte ich fachlich und inhaltlich dar. Daraufhin wurde ich sehr lange angeschrien und mit zahlreichen Vorwürfen belangt: Ich sei nicht kooperativ, nicht teamfähig, egoistisch. Eigenschaften, welche realistisch nicht zutrafen und auf mich projiziert wurden. Ich brach seinen Monolog ab und erklärte, dass ich unter solchen Umständen das Gespräch nicht fortsetzen könne. Am Tag darauf ging ich zu meinem alten Chef, benannte den Vorfall und bat um ein Dreiergespräch. Dazu kam es nie, mir wurde lediglich mitgeteilt, dass ich dort zu arbeiten hätte, wo ich gebraucht werde. 

 

Seitdem war mein früherer Chef nicht mehr ansprechbar. Er zog sich aus dem Klinikalltag zurück, war nicht mehr präsent. Der neue Vorgesetzte nahm hingegen immer mehr Raum ein. Von jetzt auf gleich leitete er alles. Seine Beschuldigungen wurden immer häufiger. Dies geschah meist so, dass niemand anderes es mitbekam. Es herrschte Hektik und Chaos auf allen Ebenen.

 

 

 

Kündigung per Post

 

Als ich einige Tage arbeitsunfähig war, erhielt ich per Post meine Kündigung.
Ein Trennungsgespräch gab es nicht. Ich wurde auch nicht freigestellt. Mir wurde schriftlich per Email mitgeteilt, dass man noch gerne bis zum letzten Arbeitstag mit mir zusammenarbeiten wollte. Zugleich wurde meinem Team erzählt, dass ich nicht wieder kommen würde und dass ich gekündigt hätte. Auch wurde bereits eine Nachfolgerin in meiner Abwesenheit für mich eingestellt.

 

 

 

 
Was sind die Gründe für die Beendigung der Tätigkeit?
 

Laut Kündigungsschreiben gibt es keine. Es gab im Vorfeld auch keine Abmahnung. Mir wurde in den Monaten zuvor jedoch deutlich gemacht, dass ich einerseits zu teuer für die Firma bin und selbstbewusste Arbeitnehmer unerwünscht sind. Zudem sollte durch Umstrukturierung die Bereichsleitung, zu der auch ich gehörte, abgeschafft werden. Dies wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach meinem Ausscheiden erfuhr ich durch eine Kollegin, die noch in der Klinik arbeitet, dass die Leitungsebene tatsächlich wegfiel. Mit mir sind letztendlich zehn Angestellte gegangen. Mir und einer Kollegin wurde gekündigt, alle anderen gingen von selbst oder erkrankten. Die freigewordenen Stellen wurden durch jüngere Personen und solchen mit weniger fachlichen Kompetenzen nachbesetzt.

 

 

 
Wie hast du auf die Kündigung reagiert?
  

Zunächst mit Fassungslosigkeit. Dann versuchte ich einen kühlen Kopf zu bewahren. Mir war bewusst, dass jeglicher affektive Impuls Folgen haben könnte. Somit versuchte ich die ganzen organisatorischen Aspekte (Anwalt, Krankenkasse, Arbeitsamt etc.) abzuarbeiten. Ich erhielt Hilfe durch einen Anwalt und Menschen, die sich auf diesem Gebiet auskannten. Mit meinem Arbeitgeber ging ich auf Abstand und meldete mich erst, nachdem ich mit dem Anwalt alles bezüglich eines Aufhebungsvertrages und einer Kündigungsschutzklage besprechen konnte. Da eine Klage im Raum stand, ging ich auch zu den Kollegen auf Distanz. Letztendlich habe ich einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Dies war bis zum letzten Tag fraglich, da für eine Kündigungsschutzklage ja nur eine Zeit von 21 Tagen zur Verfügung steht. Bis zum letzten Tag wartete ich auf den unterschriebenen Aufhebungsvertrag.  

Hinzu kamen viele Gespräche mit meinem Mann, mit Freunden und Bekannten. Nachdem der Aufhebungsvertrag unterzeichnet war, begann die Selbstfürsorge. Ich mache intensiv Sport, koche und backe ausgiebig, lese viel. All das hilft mir, wieder auf die Beine zu kommen.

 

 

 

 
Wie hast du dich damals gefühlt, als das passiert ist?
  

Ich war einerseits entsetzt und stand unter Schock. Eine Kündigung per Post während einer Arbeitsunfähigkeit zu erhalten - mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich stand neben mir. Die Zeit war relativ und nicht präsent, ein Tag folgte dem anderen. Im Anschluss fühlte ich mich dünnhäutig und kraftlos, sagte Hobbies und Treffen ab. Es folgten Zeiten der Trauer. Immerhin hatte ich mehrere Jahre sehr gerne in der Klinik gearbeitet und viele Erweiterungen miterleben können. Dann gab es auch Phasen, in denen ich sehr wütend und verärgert war. Insgesamt waren die Empfindungen körperlich stark spürbar. Glücklicherweise fühlte ich mich nicht alleine, da ich stets meine Familie an meiner Seite hatte.

 

 

 
Was war das Schlimmste an der gesamten Situation?
 

Ich fand die unsoziale Art mit Arbeitnehmern umzugehen (Kündigung ohne Grund per Post) sehr schlimm. Ich hatte meinen Chef immer als guten Menschen in Erinnerung. Das sich dieser von einem Dritten so manipulieren ließ und bislang bewährtes innerhalb kurzer Zeit zerstört, hätte ich nicht für möglich gehalten. Meine Kollegen waren ebenso fassungslos und auch verunsichert. Wer muss als nächster gehen? Mein familiäres Umfeld und Freunde begegneten mir wertschätzend, hilfsbereit und wohlwollend. Gleichzeitig waren einige mit der Situation überfordert. Die Länge des Verdauungsprozesses scheint für viele nicht nachvollziehbar und vorstellbar zu sein.

  
 
Wie lange braucht es bis das Ganze verdaut ist?
 

Ich bin überrascht, wie lange die Trennungsverarbeitung braucht. Emotional geht es mir inzwischen wieder sehr gut, doch wird mir erst jetzt das ganze Ausmaß der vergangenen Monate bewusst. Es gibt immer wieder Situationen, die schmerzen. Ich habe meinen Job zuvor sehr gerne gemacht. Dadurch sind auch viele schöne Erinnerungen mit dieser Tätigkeit verbunden. Manchmal lese ich Artikel, welche mich an berufliche Situationen denken lassen oder mich erinnern Verhaltensmuster von mir unbekannten Menschen im Alltag, wie im Supermarkt, an Verhaltensmuster ehemaliger Patienten. Das sind dann melancholische Momente. Schwieriger sind jedoch die, in welchen ich mich mit den Konsequenzen einer Kündigung auseinanderzusetzen habe, z.B. mit dem Gang zum Arbeitsamt.

 
 
Was würdest du heute anderen raten, die in eine solche Situation kommen?
  

Ruhe bewahren und sachlich reagieren. Auch würde ich zu einem Anwalt für Arbeitsrecht raten. Ich wusste nicht, dass man bei einer grundlosen Kündigung binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einzureichen hat.

 
 
Was hast du aus der Kündigung gelernt?
 

Das Macht und Geld den Charakter eines Menschen sehr stark und schnell negativ beeinflussen kann. Das ein unbefristeter Arbeitsvertrag keine Garantie für Sicherheit darstellt und die Möglichkeit besteht grundlos gekündigt zu werden. Ich hatte mich bereits vor der Kündigung mit dem Gedanken befasst, eine neue Arbeit zu suchen. Mein Gefühl und meine vorherigen Wahrnehmungen wurden durch die Kündigung eigentlich nur bestätigt. Dadurch vertraue ich mir noch mehr als zuvor.

 

 
Wie ergeht es dir auf der Suche nach dem neuen Job?
 

Ich orientiere mich nach vorne und suche nach zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten. Die Suche ist sehr spannend. Derzeit beschäftige ich mich mit Selbstständigkeit und der Eröffnung einer eigenen Praxis.

 

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Autor:

Everhard Uphoff

SCHLAGWÖRTER:

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