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Mitten in der Corona-Krise: Ärger mit dem Arbeitgeber


Angestellte lehnt Aufhebungsvertrag ab und klagt während Lockdown 



Maria P. ist 40 Jahre alt und lebt als Single in einer deutschen Großstadt. Sie ist eine, die sich nicht alles gefallen lässt und Paroli bietet, wenn es drauf ankommt. Als Maria Kontakt zu mir aufnimmt, arbeitet sie als Teamassistentin für eine Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Prozessoptimierung.

Der überwiegende Anteil der Auftraggeber kommt aus dem Luftfahrtsektor. Die mittelständische Firma zählt 80 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten. Es gibt 2 Geschäftsführer, die auch gleichzeitig ihre Ansprechpartner waren. In den letzten 6 Jahren hat es bereits mehrere Wechsel in der Unternehmensleitung gegeben.

Im Allgemeinen herrscht ein vernünftiges Betriebsklima. Die Mitarbeiter unterstützen sich gegenseitig. Es gibt flache Hierarchien und eine „Du-Kultur“. Den Führungsstil erlebt Maria P. als „Laissez-faire“. Die Vorgesetzten verzichten weitgehend auf das Eingreifen in die Arbeitsabläufe.


Was ist passiert?

Schon seit meinem 1. Arbeitstag liefen die Dinge nicht wie gewünscht. Die Unternehmensberater sind nie auf mich zugekommen, obwohl ich mehrfach proaktiv auf diese Mitarbeitergruppen zugegangen bin und Vorschläge für eine Zusammenarbeit unterbreitet habe.

Meine unmittelbaren Kollegen aus dem Back Office konnte ich nach einer Weile sehr gut unterstützen – auch wenn deren Aufgaben für mich eigentlich nicht vorgesehen waren. Aber was sollte ich ansonsten tun? Ich war mir jedenfalls für keine Tätigkeiten zu schade.

Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich auch recht wohl in dem Unternehmen gefühlt und es wurde auch nie Kritik mir gegenüber geäußert. Während meiner 6-monatigen Probezeit gab es keinerlei Feedbackgespräche. Erst auf meinen Wunsch hin fand eines kurz vor Ende mit einem der beiden Geschäftsführer statt.

Wirklich positiv ist es dann nicht gelaufen. Es hieß, dass ich für die Unterstützung der Unternehmensberater eingestellt worden bin und mich aus den anderen Themen im Back Office rausziehen sollte. Auf meine Erklärung hin, dass ich mehrfach eine Kontaktaufnahme versucht habe, ging mein Chef nicht ein.

Er meinte lediglich, dass er sich die Zusammenarbeit mit mir anders vorgestellt hätte, machte jedoch auch keine Verbesserungsvorschläge. Die Probezeit hätte ich trotzdem bestanden, da ich meine mir übertragenen Aufgaben grundsätzlich immer sehr ordentlich und zuverlässig ausführe.


Wie ging es dann weiter?


Meine tägliche Arbeit ging dann unverändert und zu meiner Zufriedenheit ohne nennenswerte Vorfälle weiter. Zum Jahresende hat das Unternehmen von sich aus auch eine Gehaltserhöhung wegen der guten Zusammenarbeit angeboten. Dann wurde eine „Interims-Managerin“ eingestellt.

Drei Monate später gab es ein Folgegespräch mit ihr und den beiden Geschäftsführern. Darin wurde mir erneut mitgeteilt, dass man sich eine Zusammenarbeit mit mir anders vorgestellt hatte und man eine Lösung sucht. Verbesserungsvorschläge gab es auch weiterhin nicht.


Was geschah dann?


Unmittelbar vor Antritt meines anstehenden Urlaubs wurde ich dann von der Interims-Managerin unter falschem Betreff des Themas in ihr Büro gebeten. Dieses Gespräch – ohne Zeugen – war sehr erniedrigend für mich.

Es wurden frei erfundene Behauptungen aufgestellt, Erfolge von mir wurden anderen Mitarbeitern zugeschrieben und behauptet, dass es dauernd Beschwerden über mich gäbe. 

Ich solle mir doch während meines Urlaubs Gedanken darüber machen, ob ich ins Unternehmen passe. Innerlich war ich total sauer, habe mir jedoch nach außen nichts anmerken lassen.


Wie hast du auf die Anschuldigungen reagiert?


In dem Moment war ich geschockt und völlig handlungsunfähig. Eigentlich hätte ich kommentarlos den Raum verlassen sollen. Während des Gespräches hatte ich nur gefragt, wer sich denn konkret über mich und wann beschwert hätte.

Die Interims-Managerin hatte daraufhin gar nichts mehr gesagt. Mit dieser Frage von mir hat sie definitiv nicht gerechnet. Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub wurde mir dann ein Aufhebungsvertrag angeboten.

Es hieß, dass sich durch organisatorische Veränderungen insbesondere bei der Struktur der Unternehmensberater meine unterstützenden Aufgabenbereiche schwerpunktmäßig an einen anderen Firmenstandort verlagert hätten und man mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages eine betriebsbedingte Kündigung vermeiden wollte.

Dieser Vertrag bestand lediglich aus zwei  Seiten. Mir wurde als Kondition eine Outplacementberatung in Höhe von max. 7.500 EUR netto in Aussicht gestellt sowie eine Freistellung für die Beratungs- und Bewerbungsgespräche.

Außerdem sollte ich ein Arbeitszeugnis mit der Endnote gut erhalten. Eine Abfindung war nicht vorgesehen.


Hast du den Aufhebungsvertrag unterzeichnet?


Nein. Insgesamt bin ich einfach stur geblieben. Ich hatte nichts zu verlieren und war mir meiner rechtlichen Stellung absolut bewusst. Warum sollte ich den Aufhebungsvertrag unterschreiben?

Schließlich hatte ich einen Kündigungsschutz und noch keinen neuen Job. In meinen Augen hatte ich mir auch nichts vorzuwerfen.

Man hätte sich in der Probezeit problemlos von mir trennen können aber jetzt nicht mehr. Die Initiative kam vom Arbeitgeber und nicht von mir.

Wenn ich den Aufhebungsvertrag unterzeichnet hätte, dann wäre ich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für drei Monate von der Arbeitsagentur gesperrt worden und hätte in dieser Zeit auch kein Arbeitslosengeld bekommen.

Zu diesem Zeitpunkt habe ich dann auch – vorsichtshalber – einen Fachanwalt für Arbeitsrecht kontaktiert.


Wie hat dein Arbeitgeber darauf reagiert?


Mein Arbeitgeber wollte es nicht wahrhaben, dass ich nicht unterschreibe. Der meinte, dass der Vertrag absolut fair gewesen war und man hätte sich seiner Meinung nach gütlich ohne hin und her trennen können.

Es wurden dann „neue nicht nachweisbare Wege gesucht“, mich loszuwerden. Diese Situationen konnte ich nicht beschreiben. Mein Bauchgefühl sagte mir jedoch, dass ich z. B. in bestimmten Phasen höllisch aufpassen muss, nicht den kleinsten Fehler zu machen.

Ich hatte meine „Fühler“ überall und merkte, wenn irgendwas nicht stimmte bzw. eine „merkwürdige Energie“ im Büro herrschte. Für mich war das nicht erklärbar, aber ich habe durchgehalten und instinktiv genau das Richtige gemacht (wohl immer das Gegenteil von dem, was mein Arbeitgeber von mir erwartet hatte).

Im Grunde genommen wurden diese Phasen immer schlimmer. Es grenzte bereits an „Psychoterror“. Nachweise habe ich dafür keine. Es gab Tage, da hatte ich ganz plötzlich wahnsinnig viel zu tun und hier versuchte man wohl, dass ich bei der Masse an Aufgaben einen Fehler mache.

Bedingt durch die Hellhörigkeit der Wände im gesamten Büro hatte ich auch ein Gespräch von einem Geschäftsführer mitbekommen: „Das gibt es nicht, Null Fehler, die ist unglaublich gut…“

An manchen Tagen wurde ich auch mit lächerlichen Aufgaben bombardiert. “…Was mir denn einfiele, das dreckige Geschirr der Kollegen vom Vortag nicht in die Geschirrspüle gestellt zu haben – dies sei meine Aufgabe…“.


Wie hat sich dann die Corona-Krise bemerkbar gemacht?


Aufgrund der ganzen Geschehnisse war klar, dass es früher oder später zum Jobende kommt. Ich bin nicht mehr gerne zur Arbeit gegangen und habe dann nur noch das Nötigste getan. Und dann ging auch noch die Corona-Krise los.

Mit dem Lockdown wurden alle Mitarbeiter erstmal für 6 Monate um die Zustimmung zur Kurzarbeit „Null“ gebeten. 

Kurzarbeit „Null“ heißt, dass gar nicht mehr gearbeitet wird und kinderlose Mitarbeiter die ersten Monate nur 60 % des Gehaltes bekommen. Da meine berufliche Situation bei der Firma absolut unbefriedigend war und man sich mir gegenüber in der Vergangenheit nicht vernünftig verhalten hatte, habe ich die Zustimmung zur Kurzarbeit nicht unterschrieben.

Warum sollte ich mich denn loyal gegenüber dem Arbeitgeber verhalten? Ich war mir über die Konsequenzen im Klaren und hatte mit einer regulären Kündigung gerechnet.

Dem war dann aber nicht so und es gab nur eine Änderungskündigung. Hier wurde aber plötzlich und nur in meinem Fall eine abweichende Kurzarbeit über den Zeitraum von 12 Monaten vereinbart.


Was bedeutete die Änderungskündigung inhaltlich?


Eine Änderungskündigung besteht quasi aus zwei Teilen. Man kündigt den Arbeitsvertrag zum fristgemäßen Zeitpunkt oder auch fristlos.

Gleichzeitig bietet man aber an, dass Arbeitsverhältnis dann nahtlos unter geänderten Bedingungen fortzusetzen.


Du hast daraufhin eine Änderungsschutzklage erhoben?


Es gibt dann insgesamt mehrere Möglichkeiten, auf eine solche Änderungskündigung zu reagieren. Dies sollte man individuell mit seinem Anwalt klären.

Der Königsweg ist die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG und Erhebung einer Änderungsschutzklage. Für diese Reaktion hatte ich mich auch mit meinem Anwalt entschieden.

Es gab extrem viel Schriftverkehr zwischen ihm und dem Anwalt der Gegenseite. Ein Vergleich beim Gütetermin wurde von meinem Arbeitgeber einen Tag vor dem Ende der vereinbarten Frist widerrufen.

Mit der Zeit gewann ich den Eindruck, dass sich die beiden Geschäftsführer völlig uneins waren. Es sah so aus, als würde mich der eine loswerden wollen, der andere jedoch nicht.

Die Unstimmigkeit meiner beiden Chefs hat wohl auch dazu geführt, dass mein Arbeitgeber es zwischendrin dann auch noch mit einer fristlosen Änderungskündigung versucht hat.

Die hat er dann aber selber wieder kurz danach zurückgenommen. Es war ein aufreibendes ewiges hin- und her.

Das letzte Schreiben von meinem Anwalt an das Arbeitsgericht war 17 Seiten lang! Schließlich wurde dann ein Kammertermin angesetzt. Dieser sollte 4 Monate später stattfinden.


Warum hast du Klage eingereicht?


Nach dem Ganzen hin und her wollte ich einfach Paroli bieten. Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen.


Wie zufrieden warst du mit deinem Anwalt?


Sehr. Ich kann mir aktuell keinen besseren Anwalt als ihn vorstellen Er ist mir sympathisch und die Chemie zwischen uns stimmt.

Telefonisch ist er immer erreichbar, reagiert unheimlich schnell auf elektronische Nachrichten, ist strukturiert, freundlich, Zusagen hält er immer ein.

Zum Glück hatte ich vor einigen Jahren einen Arbeitsrechtsschutz abgeschlossen. Ansonsten hätte ich mir den Weg finanziell nicht leisten können.


Welche Vorteile hattest du durch den Arbeitsrechtsschutz?


Sie hat mir sehr viel gebracht. Ich habe eine Versicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 EUR abgeschlossen. Beim Arbeitsgericht muss in der 1. Instanz jede Seite selber für die Anwaltskosten aufkommen.

Wird das Urteil angefochten, geht es zum Landesarbeitsgericht und ab da muss dann die Seite, die dann verloren hat, auch zusätzlich noch die Kosten der Gegenseite zahlen.

Ich kann nur jedem Berufstätigen raten, eine Rechtschutzversicherung (für Arbeitsrecht) abzuschließen. Ich zahle ca. 20 EUR im Monat und das ist steuerlich absetzbar.

Die Kosten für meinen Anwalt beliefen sich auf insgesamt 4500€. Dank Rechtschutz musste ich davon nur einmal 150€ Selbstbeteiligung zahlen.


Du warst temporär in Kurzarbeit. Wie hast du die Zeit genutzt?

• Ich habe mich intensiv beworben.

• Bedingt durch den Lockdown und die Kurzarbeit habe ich viele kostenfreie Webinare zu unterschiedlichsten Themen besucht.

• Ich habe 2 Fernlehrgänge absolviert (Fachreferentin für Arbeitsrecht IHK und einen Hochschulkurs im Projektmanagement).

• Außerdem habe ich ein professionelles Karrierecoaching auf meinen eigenen Wunsch hin über die Arbeitsagentur finanziert bekommen.


Wie erging es dir auf der Suche nach einem neuen Job?


Im Grunde genommen war klar, dass ich gehe und ein Zurück zu meinem Arbeitgeber nicht mehr möglich war.

Mein Anwalt hatte mir schon gleich nach der Aktion mit dem Aufhebungsvertrag im vergangenen Jahr zu einem Jobwechsel geraten. Ich habe mich also regulär auf Stellenanzeigen beworben.

Mein Karrierecoach hat mir auch empfohlen, den verdeckten Stellenmarkt zu nutzen. Zudem habe ich nach passenden Firmen geschaut und mich dann einfach initiativ beworben.

Bei Bedarf habe ich auch vorher die Betriebe angerufen und nachgefragt, ob Interesse an einer Bewerbung besteht. Insgesamt habe ich etwa 60 Bewerbungen geschrieben.

Davon war ein großer Teil aber auch Personaldienstleister. Außerdem hatte ich zusätzlich 3 private Arbeitsvermittler beauftragt.

Bewerbungsgespräche gab es insgesamt schätzungsweise 12. Meine Bewerbungsquote war auf jeden Fall sehr gut. Man sagt pro 10 Bewerbungen etwa 1 Vorstellungsgespräch.

Kurz vor dem Kammertermin bekam ich zum Glück eine Zusage. 20 Bewerbungen waren noch offen und ich habe da später selber abgesagt.


Dann fand endlich der Kammertermin statt. Wie war das?


Beim Arbeitsgericht mahlen die Mühlen langsam. Um ehrlich zu sein, hätte ich gedacht, dass es noch länger dauert.

Mein Arbeitgeber schien auf Zeit zu spielen und hoffte wohl, dass ich bald selber etwas finde und sich das „Problem“ dann in Luft auslöst.

Es gab in den letzten Monaten so viele unschöne Dinge und Behauptungen von meinem Arbeitgeber, dass es mir inzwischen egal war, was bei dem Gericht entschieden wird.

Hauptsache ich bin dann raus, habe ordentlich Paroli geboten und das Thema ist beendet.

Mein Anwalt versuchte einen vernünftigen Beendigungsvergleich auszuhandeln. Er wollte mich nicht beim Kammertermin dabei haben.

Ich wurde auch nicht vom Gericht geladen. Es ging nur um rechtliche Fragen. Letztendlich war das ein sehr aufregender Tag für mich.

Kurz vor dem Termin hatte ich selber einen neuen Job gefunden und es ging letztendlich nur noch darum, dass ich aus dem Unternehmen ausscheide und vielleicht noch ein wenig Geld für mich rausspringt.

Ein wirkliches Druckmittel hatten wir nicht mehr.


Was ist beim Kammertermin rausgekommen?


Die Sache ist gut für mich ausgegangen. Ich bin zufrieden. Am Ende musste ich dann doch noch selber kündigen.

Sonst hätte ich eine Woche später nicht beim neuen Arbeitgeber starten können und es hätte weniger Geld gegeben. Mein Anwalt handelte als „Abfindung“ eine Summe in Höhe von 11.000€ brutto aus.

Das war quasi die Differenz vom Kurzarbeitergeld zum regulären Gehalt für 5 Monate. Das war ein sehr gutes Ergebnis bei 2,5 Jahren Betriebszugehörigkeit mit 2.666 € brutto Verdienst.

Der Spuk hatte endlich ein Ende und ich wurde nicht arbeitslos. Hast du deine Entscheidung zu gehen rückblickend bereut?

Nicht wirklich. Es hat zwar Nerven gekostet aber es war der vernünftigste Weg.


Wie war dein letzter Arbeitstag?


Einen letzten Arbeitstag gab es nicht. Meine Unterlagen (Firmenhandy, Ausweis, Schlüssel etc.) musste ich dann sogar noch persönlich beim Anwalt der Gegenseite am Tag des Kammertermins abgeben.

Nach dem Gerichtstermin und der Einigung hat die Geschäftsführung meinen Weggang offiziell in der Firma bekanntgegeben.

Viele meiner Kollegen haben sich dann über Xing bei mir verabschiedet. Schade, dass es nur so und wegen der Kurzarbeit nicht persönlich möglich war.


Wie sehr hat dich das alles mitgenommen?


Innerlich war ich doch ziemlich aufgewühlt. Im Nachhinein habe ich das Ganze soweit gut verkraftet.

Andere Leute aus meinem Freundeskreis hätten das definitiv nicht durchgehalten und hätten wohl selber gekündigt, ohne eine Perspektive zu haben. Ich denke, dass ein großer Teil die eigene Persönlichkeit ausmacht.

Gefühlsschwankungen hatte ich am Anfang des juristischen Weges zwar auch gehabt (von absoluter Verzweiflung bis heller Freude in kurzer Zeit).

Aber das ist in gewissen Phasen völlig normal. Wichtig ist ein guter Anwalt. Er kann auch beraten, einschätzen, ob man als Mensch da einigermaßen gut durchkommt und einen immer wieder aufbauen.

Narben werden definitiv bleiben. Einfach abschütteln kann man das Ganze nicht. Ich denke, dass ich wohl heute genauso handeln würde.


Wer in deinem Umfeld war wie von deinem Jobverlust betroffen?


Ich habe sehr engen und guten Kontakt mit meinen Eltern. Um diese nicht zu sehr zu belasten, habe ich sie erst ganz spät in die gesamte Problematik involviert.

Sie waren natürlich geschockt aber standen immer hinter mir – auch finanziell. Der Freundeskreis war auch immer für mich da.

Ansonsten hatte ich keine familiären Verpflichtungen – bin Single und lebe alleine.


Wer wendete sich von dir ab? Wer profitierte davon, dass du gehst?


Abgewandt haben sich natürlich meine unmittelbaren Kollegen. Ich war schließlich die Einzige, die der Kurzarbeit anfangs nicht zugestimmt hatte.

Profitiert hat die Geschäftsführung selber. Die wollte mich ja eh „loswerden“.


Wer oder was hat dir in der Situation geholfen?


Einige gute Freunde, mit denen ich einfach reden konnte. Auch war mein Anwalt eine gute Stütze in vielen Dingen. Über XING habe ich einige hilfreiche Kontakte geknüpft.

Hast du dich persönlich durch diese Erfahrung verändert? Ich denke schon. Durch das Coaching ist mir bewusst geworden, wo meine Stärken und Schwächen liegen. 

Was bin ich für ein Persönlichkeitstyp? Warum hat die Zusammenarbeit bei meinem Arbeitgeber nicht wie gewünscht funktioniert? Worauf sollte ich künftig bei meinem Arbeitgeber achten?

In welche Unternehmen und Branchen passe ich? Welche Rolle habe ich selber im Konflikt beigetragen?

Auf solche Fragen habe ich Antworten erhalten. Außerdem habe ich mit meinem Coach meine Bewerbungsunterlagen überarbeitet und für Vorstellungsgespräche geübt.


Was würdest du heute anderen raten, die in eine solche Situation kommen?

1) Nicht aufgeben und keine Angst vor Anwälten haben.

2) Frühzeitig eine Rechtschutzversicherung für Arbeitsrecht abschließen.

3) Aneignung von Grundlagenkenntnissen im Arbeitsrecht durch Seminare.

4) Ggf. einfach mal im Arbeitsgericht umschauen (öffentliche Verhandlungen)


Welche Begriffe beschreiben am Besten deine berufliche Situation in 2020?


Unzufriedenheit, Hauptsache Geld für den Lebensunterhalt verdienen, Affentheater, alles ist unstrukturiert und planlos


Welche Werte sind dir in der Berufswelt wirklich wichtig? Was geht gar nicht?


Wichtig sind mir Fairness, Gleichbehandlung, Wertschätzung, gegenseitige Unterstützung, ein wenig Einfühlungsvermögen seitens der Führungskräfte, Förderung, Struktur, Prinzipien, Sicherheit.

Gar nicht geht: streben nach Macht mit allen Mitteln, unzuverlässige Arbeitsweise, Mitarbeiter als Ressourcen ansehen und bewusst „klein“ halten, Nichtbeachtung der Mitarbeiter, keine klar abgegrenzten Aufgabenbereiche, keinerlei betriebliche Regelungen.


Wie war dein Stresslevel in dieser für dich schwierigen Zeit?


Sehr unterschiedlich. Teilweise habe ich mir den Stress auch selber gemacht.


Wie hat sich das im Körper bemerkbar gemacht?


In schwierigen Phasen habe ich in mich reingefressen als ich noch „normal“ gearbeitet hatte.

Als ich im Home Office war und der Rechtsstreit losging, habe ich mich ungesund ernährt, fühlte mich an manchen Tagen einfach nur schlapp und müde.

Ich konnte nicht so gut wie sonst schlafen.


Bist du eher jemand, der die Dinge mit sich selber ausmacht?


Ich denke schon.


Wie hast du in der Zeit des beruflichen Umbruchs den Tag verbracht?


Ich setzte mir Ziele, die ich entweder an einem bestimmten Tag oder in der Woche erledigt haben wollte.

Ansonsten lief mein Fernseher parallel fast den ganzen Tag und ich hörte auch gerne bestimmte Songs in Dauerschleife.


Was ging schwer im Alltag?


Manchmal fehlte die Motivation, bestimmte Dinge im Haushalt zu tun.


Wie haben sich die Emotionen seit dem Ausstieg verändert?


Leider hat sich die Rechtsangelegenheit erst genau eine Woche vor Arbeitsbeginn bei meinem neuen Job geregelt. Aber mit meinem Arbeitgeber hatte ich schon länger Schluss gemacht.

Ich war ja eh selber absolut unzufrieden. Aufgrund des schmerzhaften Ablöseprozesses kam ich noch nicht zur Ruhe. Ich denke, dass sich das gibt, sobald ich meine neue Arbeit angetreten habe.


Was ist das für ein neuer Job?


Ich arbeite als Teamassistentin im Recruiting bei einem Personaldienstleister, wechsle also quasi die Seite und bin für das Bewerbermanagement, das Schalten von Stellenanzeigen und Interviews zuständig.


Mit welchem Gefühl und Gedanken gehst du jetzt in die neue Arbeit?


Im Augenblick habe ich eher gemischte Gefühle. Ich habe keine Zeit, um mal vernünftig runterzukommen und die Tätigkeit selber ist grundsätzlich komplett neu für mich.

Ich hoffe natürlich, dass die neue Arbeit zu meiner Persönlichkeit passt und ich endlich wieder glücklich bin.


Wie waren dann die ersten Tage im neuen Job?


Die ersten zwei Tage bei meinem neuen Arbeitgeber sind positiv verlaufen. Ich durfte sogar schon Home Office machen. Die Kollegen sind freundlich und mir zugewandt.

Insgesamt ist es zwar anders als ich es mir vorgestellt hatte – aber abwarten. Zwei Monate nach Eintritt in den neuen Job: Bezüglich Ex-Arbeitgeber: Nach dem endgültigen Vergleich war die Sache auch noch nicht ganz durch.

Ich habe geschlagene drei Monate auf die Arbeitsbescheinigung für die Arbeitsagentur gewartet und war kurz davor, selber meinen Arbeitgeber ohne Anwalt nochmals zu verklagen.

Nach letztmaliger Fristsetzung von mir kam die Bescheinigung dann aber doch noch. 100% verarbeitet ist der ganze Rechtsstreit irgendwie nicht, aber gewisse Situationen werde ich wohl auch nicht loswerden.


Meine Marke lautet: „Ich wurde gefeuert – zum Glück“ Was ist dein Glück?


Immer das Positive an der Sache sehen und zum Glück bin ich aus diesem unstrukturierten Unternehmen raus.



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